Die Toskana-Verschwörung: Thriller (German Edition)
Rover war das zum Glück nicht mit einer artistischen Leistung verbunden.
Bevor er den Zündschlüssel umdrehte, tastete er mit der Hand nach herabhängenden Kabeln. Erst nachdem er davon überzeugt war, dass niemand etwas manipuliert hatte, startete er den Motor und fuhr los.
Während der ersten Kilometer fuhr er langsam, schaute öfter als vorher in den Rückspiegel und prägte sich die Autos ein, die hinter ihm her fuhren. Drei sah er im Rückspiegel: einen grünen Fiat, einen roten Golf und einen schwarzen Volvo Kombi. Später dann noch einen Toyota Pickup.
Nach drei Kilometern hielt er in der Ausbuchtung eines Nothalteplatzes an und wartete. Alle hinter ihm fahrenden Wagen waren vorbeigezogen und verschwunden. Sollte jetzt ein Auto auftauchen, das er sich gemerkt hatte, wusste er, dass er beobachtet wurde.
Er blieb noch ein paar Minuten, dann fuhr er weiter. Im Rückspiegel waren keine Autos zu sehen, die ihm bekannt vorkamen. Robert war erleichtert.
*
Die Einfahrt zu dem Wirtschaftsweg, der von der Hauptstraße in die Olivenhaine führte, machte einen scharfen Knick nach rechts. Deshalb konnte Robert den schwarzen Volvo nicht sehen, der verlassen hinter der Kurve stand. Der Fahrer und sein Begleiter waren umgestiegen in einen silbernen Alfa 159, der schon seit Stunden dort geparkt war. Dreisse nickte, und der Alfa rollte langsam auf die Hauptstraße.
*
»Roberto, schön dich zu sehen!« Carlo Sebaldo ergriff mit beiden Händen Roberts Rechte. »Komm, setz dich, und erzähl mir, was du in Berlin erlebt hast. Um ehrlich zu sein, mir war nicht wohl bei dem Gedanken, dass du da ganz allein mit den Deutschen … Nun gut, die Hauptsache ist, dass du wieder da bist.«
Robert lächelte. »Fast wäre ich nicht wiedergekommen. Aber lass mich von vorn anfangen.« Robert redete lange, und Carlo hörte ihm aufmerksam zu. Mal nickte er, wenn er einer von Roberts
Schlussfolgerungen zustimmen konnte, mal schüttelte er den Kopf, wenn er kaum glauben konnte, in
welche Situationen Robert geraten war.
»Das war’s, Carlo!«, beendete Robert seine Ausführungen. »Eine aufregende Woche, nicht wahr?«
»Das kann man wohl sagen. Aber alles, was du erzählt hast, bestärkt meine Ansicht. Mir ist da etwas
eingefallen, während du in Berlin warst.« Robert schaute ihn neugierig an. Carlo hatte inzwischen seine betagte Espresso-Dampfkanne aus dem Schrank geholt. Kurz darauf zog
ein angenehmer Kaffeeduft durch die Werkstatt. Carlo stellte zwei kleine Tassen auf die Werkbank.
Dann setzte er sich wieder. Robert vermied zum wiederholten Male den Hinweis, dass er eigentlich
keinen Kaffee trank.
»Also. Im Nachbarort, in Dicomano, lebt der alte Giuseppe Collodi. Er wird diesen Sommer zweiundneunzig Jahre alt, ist schon etwas gebrechlich, hat aber ein noch gut funktionierendes Gedächtnis. Du weißt doch sicher, dass es in Italien während des Zweiten Weltkrieges eine gut organisierte Resistenza gab. Dazu gehörte das Komitee zur nationalen Befreiung Oberitaliens, das zum bewaffneten Partisanenaufstand aufgerufen hatte. Diesem Aufruf haben sich viele angeschlossen, und das führte dazu, dass sich die Deutschen und die Schwarzhemden zurückgezogen haben und alle Städte im Norden befreit wurden. Giuseppe Collodi war einer von diesen Partisanen. Er gilt heute noch als Held, denn er hat überall in vorderster Front mitgekämpft. Eine Zeitlang sogar Seite an Seite mit Oberst Valerio.«
Robert schaute Carlo fragend an. »Wer ist das?«
»Eigentlich hieß er Walter Audisio. Er ist der Mann, der Mussolini erschossen hat.«
»Lebt der noch?«, fragte Robert.
Carlo schüttelte den Kopf. »Er ist, soweit ich weiß, Anfang der Siebzigerjahre gestorben. Aber hör zu, Roberto, wir sollten uns jetzt in dein Auto setzen und nach Dicomano fahren. Ich glaube, der alte Giuseppe kann uns einiges erzählen. Hast du eigentlich ein Bild von diesem Sonthofen?«
Robert nickte und griff in seine Innentasche. »Ja, Susan hat mir eins mitgegeben. Er ist allerdings nur schwach zu erkennen.«
Carlo warf einen Blick auf das Bild. »Wir werden es ihm zeigen.«
*
Der Fünftausendseelenort Dicomano ist ein Toskanastädtchen wie aus dem Bilderbuch. Mittelpunkt ist der Marktplatz, auf dem regelmäßig ein Handwerker-, Antiquitäten- und Trödelmarkt stattfindet. Nur dann ist der Ort voller Menschen. An einem gewöhnlichen Wochentag wie diesem wirkte er jedoch wie ausgestorben.
»Da«, sagte Carlo zu Robert, »die zweite Straße am Markt. Dort wohnt
Weitere Kostenlose Bücher