Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
sie nicht erwähnen, obwohl sie gern mit ihren neuen Kenntnissen geprahlt hätte.
»Wenn …?« Tove hob fragend die Augenbrauen.
»Ihm fehlen die Beweise«, antwortete Mamma Carlotta entschlossen. »Und die werde ich ihm liefern.«
»Warum sind Sie denn so sicher, dass es Andresen war?«, fragte Fietje.
»Kennen Sie den Kerl denn nicht? Haben Sie schon mal seine Nervosität gesehen? Und seinen verschlagenen Blick? Und die Angst seines Kindes, wenn er es aus dem Bett heben will?«
Fietje wollte Einwände erheben, aber Tove schnitt ihm das Wort ab. »Die Signora hat Recht. Ich traue Andresen auch einen Mord zu. Und ich verstehe nicht, warum der Hauptkommissar zögert. Wenn Andresen plötzlich das Geld hat, um seine Tochter in den USA operieren zu lassen, dann ist doch alles klar.«
»Der Hauptkommissar wird schon wissen, was er tut«, wandte Fietje ein. Dann erschien das hämische Lächeln auf seinem Gesicht, das er immer dann aufsetzte, wenn er eine Waffe gegen Tove in der Hand hielt. »Er hat dich auch immer erst verhaftet, wenn er alle Beweise zusammen hatte.«
»Red keinen Schiet«, fuhr Tove ihn an. »Denk lieber darüber nach, wie wir die Signora beschützen können, wenn sie in der Höhle des Löwen arbeitet.«
Fietje trank sein Glas leer, dann hatte er lange genug nachgedacht. »Wenn Andresen merkt, dass sie die Schwiegermutter des Hauptkommissars ist …«
»Ich habe einen falschen Namen angegeben«, warf Mamma Carlotta ein. »Den Mädchennamen meiner Mutter. Anna Rocchi!«
»Trotzdem …« Fietje orderte ein weiteres Jever. »In der Vorsaison fällt niemandem auf, wenn ich nicht im Strandwärterhaus sitze. Ich könnte mich in der Nähe von Fisch-Andresen aufhalten, um aufzupassen.«
Tove grinste spöttisch. »In deiner Nähe ist die Signora schlimmer dran als in Andresens. Jeder weiß doch, wie du reagierst, wenn du beim Spannen erwischt wirst.«
»Sei du ganz ruhig, Tove! Wer so oft im Knast gesessen hat wie du, sollte das Maul nicht so weit aufreißen, jawoll! Oder soll ich der Signora mal von deinem Onkel erzählen? Du hättest dir diesen Imbiss jedenfalls nicht leisten können, wenn dein Onkel nicht gestorben wäre. Und wenn er noch die Gelegenheit gehabt hätte, sein Testament zu ändern, wie er es vorhatte. Dann hättest du nämlich keinen Pfennig bekommen.«
»Halt’s Maul, Fietje!«, sagte Tove ruhig, aber die heraufziehende Sturmflut war bereits zu erahnen.
»Und dass dein Onkel unter merkwürdigen Umständen gestorben ist, weiß hier auch jeder«, fügte Fietje hinzu und trank sein Jever in einem Zug aus, als hätte er Angst, dass Tove ihm Augenblicke später keine Zeit mehr dafür lassen würde.
Schon brach der Sturm in Käptens Kajüte aus. »Denk du lieber an die Frau, die noch leben könnte, wenn es dich nicht gäbe!«
»Dann denk mal daran, dass ich dem Hauptkommissar erzählen könnte, wo ich dich am Sonnabend gesehen habe. In Kampen in der Nähe der Kupferkanne. Da, wo das Haus der alten Kern steht.«
Tove nahm Fietje das Glas weg und zeigte zur Tür. »Verschwinde! Und lass dich so bald nicht wieder hier blicken.«
Die Tür knallte ins Schloss, danach herrschte Stille. Mamma Carlottas Hand tastete sich vorsichtig zum Weinglas.
»Ich werde ein bisschen auf Sie aufpassen, Signora«, sagte Tove, »damit der Andresen Ihnen nichts tut.«
Mamma Carlotta trank ihr Glas leer und rutschte vom Hocker herunter. »Haben Sie schon mit dem Aufpassen angefangen?«
Tove starrte sie verständnislos an. »Was meinen Sie?«
»Andresen hat gemerkt, dass Sie mich verfolgen. Sie sollten es in Zukunft also schlauer anstellen.«
Diesmal gelang es Erik nicht, den Gerichtsmediziner ins Wohnzimmer zu dirigieren. Dr. Hillmot steuerte geradewegs auf die Küchentür zu, hinter der es klapperte und verführerisch duftete.
Er stieß die Tür auf und strich sich zufrieden über den Bauch. »Signora!«, rief er. »Ich habe gearbeitet bis zum Umfallen, um diesen Augenblick genießen zu können!«
Sören führte hinter Dr. Hillmots Rücken seine Rechte vor dem Gesicht hin und her und sah Erik bedeutungsvoll an. Der hatte jedoch nur Augen für das, was sich in seiner Küche tat. Irgendwas war anders als sonst. Das Gesicht seiner Schwiegermutter rot angelaufen, ihre Bewegungen hektisch, sie nahm sich kaum die Zeit, Dr. Hillmot zu begrüßen. Die Gemütlichkeit, die überall dort entstand, wo sie in aller Ruhe schnippelte, hackte, probierte, schnupperte und rührte, fehlte hier völlig. Man konnte
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