Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
Vom Netzwerk:
einer Gehirnerschütterung liegen zu bleiben. Aber bisher hatten sowohl Sören als auch der Stuhl alle akrobatischen Einlagen heil überstanden, und Eriks padägogisches Wirken war ins Leere gelaufen.
    »Sie behaupten, die Nachbarn hätten ihn seit Wochen nicht gesehen«, sagte Sören.
    »Urlaub?«
    »Sie reden von mindestens acht Wochen. Vielleicht sogar mehr.«
    »Und sein Arbeitgeber?«
    »Er hat keinen. Björn Mende ist arbeitslos.«
    »Wahrscheinlich hat er es nicht nötig zu arbeiten. Nachdem er seinen Vater beerbt hat, dürfte er keine finanziellen Probleme haben.«
    »Die Husumer Kollegen sagen aber, er wohnt in einer winzigen Wohnung in einer ärmlichen Gegend. Im Erdgeschoss eines alten Mietshauses, in dem nicht einmal alle Wohnungen ein eigenes Badezimmer haben.«
    Erik stand auf, drückte die Rückenlehne von Sörens Stuhl herunter und stellte zufrieden fest, dass Sören seinen Hinweis verstand. Jedenfalls blieb er nun ruhig und aufrecht sitzen.
    »Wie wär’s mit einem Durchsuchungsbeschluss?«, fragte Sören, doch er wusste die Antwort im Voraus. »Ja, schon gut, es gibt keine Verdachtsmomente gegen ihn.«
    Erik nickte. »Wir suchen ihn als Zeugen.«
    Sörens Gesicht erhellte sich. »Was, wenn er tot in der Badewanne liegt? Dann ist Gefahr im Verzuge, und wir müssen die Wohnung aufbrechen.«
    Erik bedachte ihn mit einem missbilligenden Blick. »Unsinn, Sören! Aber wir sollten persönlich hinfahren. Husum ist ja nicht weit.« Er ließ sich wieder an seinem Schreibtisch nieder. »Aber vorher rufen Sie noch beim Husumer Arbeitsamt an. Fragen Sie, ob Björn Mende sich dort regelmäßig gemeldet hat, wie es Pflicht ist.«
    Zehn Minuten später stand Sören wieder im Raum. Letzte Woche war er noch da«, erzählte er. »Björn Mende ist Betriebswirt mit einem langen Studium und einem schlechten Examen. Im Klartext: ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz. Aber er hat sich immer brav beim Arbeitsamt gemeldet.«
    Die Tür öffnete sich, Rudi Engdahl stand im Raum. »Die Presse-Heinis sind schon wieder da. Wollen Sie nicht mal ein bisschen ausführlicher mit denen reden, Herr Wolf?« Man sah dem Obermeister die Verzweiflung an, die ihn immer überkam, wenn er den Zeitungsreportern Rede und Antwort stehen sollte, denen er rhetorisch unterlegen war und deren Impertinenz Rudi Engdahl nicht das Wasser reichen konnte.
    Erik stöhnte auf. »Okay, ich komme gleich.«
    Engdahl seufzte erleichtert. »Dann muss ich mir wenigstens nicht mehr anhören, dass hier zu langsam gearbeitet wird.«
    Erik strich erst seinen Schnauzer, dann seinen Pullunder glatt. Dann wusste er, dass er wütend war. »Haben die das etwa behauptet?«, fragte er gefährlich leise.
    Engdahl begriff, dass er einen Fehler gemacht hatte. »Nicht so direkt …«, versuchte er zu retten, was zu retten war.
    Doch Erik strich nun zusätzlich noch seine Cordhose glatt, und das bedeutete, dass er einen unpopulären Entschluss fasste. »Ich hab’s mir anders überlegt. Sagen Sie den Herren, dass ich heute nicht mehr zu sprechen bin. Es gibt eine neue Spur. Das können Sie ihnen sagen. Mehr nicht.«

14
    Der Auslieferer arbeitete schweigsam, Mamma Carlotta fiel es schwer, aber sie schloss sich der Schweigsamkeit an. Was gab es zu sagen angesichts der Tragödie, die sich ereignet hatte? Nichts konnte die Frage beantworten, warum Saskia ausgerechnet jetzt, kurz vor der Operation in Boston, diesen Rückfall erlitten hatte.
    »Hoffentlich sind sie noch rechtzeitig in der Nordseeklinik angekommen«, sagte sie, denn ein einziger Satz fiel bei Mamma Carlotta noch in den Bereich der Schweigsamkeit.
    Sie beobachtete Björn verstohlen. Er war ein gut aussehender Mann – auf den zweiten Blick. Auf den ersten war er blass und kraftlos, von ständiger Verlegenheit geplagt und immer darauf bedacht, nicht aufzufallen. Er durchquerte einen Raum nicht, sondern drückte sich an der Wand entlang, ergriff selten das Wort und sprach, wenn überhaupt, nur sehr leise, in kurzen, abgehackten Sätzen. Er sah aus, als hätte es das Leben nicht gut mit ihm gemeint. Ob Andresen ahnte, dass sein Auslieferer ein Verhältnis mit seiner Frau hatte?
    So wenig Ähnlichkeit die beiden Männer aufwiesen, in einem waren sie sich gleich: Auch Björn litt unter manischer Nervosität. Sein Körper stand unter ständiger Anspannung, seine Bewegungen waren ungeordnet und rastlos. Trotz seiner Jugend wirkte er verschroben und ein wenig wunderlich, er schien ebenso unter einem Zwang zu leiden wie Wolf

Weitere Kostenlose Bücher