Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
hier im Haus gearbeitet, Herr Mende, Sie haben Frau Andresen also oft gesehen. Vielleicht haben Sie sie sogar gut gekannt? Besonders gut?«
Björn sah ihn nicht an, als er den Kopf schüttelte. »Sie war die Frau des Chefs.«
»Mehr nicht?«
»Mehr nicht.«
»Können Sie uns irgendwas sagen, was uns helfen könnte? Haben Sie einen Verdacht? Kennen Sie ein Motiv? Wissen Sie, ob Frau Andresen Feinde hatte?«
Björn schüttelte schweigend den Kopf, die Hände, die er hinter dem Rücken verschränkt hatte, zuckten nach vorn. Anscheinend hatte sich der Griff zu seinem Hosenschlitz derart automatisiert, dass er ihn nur unter Aufbietung aller Kräfte vermeiden konnte.
»Wann haben Sie Frau Andresen das letzte Mal gesehen?«
»Gestern Nachmittag. Ich traf sie vor der Tür, als ich eine Fischplatte nach Keitum bringen wollte. Sie ging gerade zu ihrem Auto, um wegzufahren.«
»Danach haben Sie sie nicht noch einmal gesehen?«
»Nein.«
»Ist Ihnen was aufgefallen? War irgendwas anders als sonst?« Sören warf seinem Chef einen verzweifelten Blick zu, der sich offenbar immer noch nicht an der Befragung beteiligen wollte.
Björn schüttelte den Kopf. »Nein, sie war wie immer.«
»Wie war sie denn … immer?«
Nun waren Björns Hände nicht mehr zu halten. Nervös tasteten sie den Hosenreißverschluss herauf und herunter. »Es ging ihr nicht besonders gut. Sie wissen ja, Saskias Krankheit, die Angst, dass sie stirbt. Und Frau Andresen war ja regelrecht eingesperrt im Haus. Nie konnte sie ausgehen, sie musste immer bei dem Kind bleiben. Die Kleine hatte schreckliche Angst, wenn die Mutter nicht da war.«
»Hat Frau Andresen denn nicht Hoffnung geschöpft? Die Operation des Kindes stand doch kurz bevor, ihr Mann hatte genug Geld im Spielkasino gewonnen. Ein seltsamer Zufall, aber ein sehr glücklicher …« Sören beobachtete Björn scharf, der aber mit keiner Regung erkennen ließ, was er von diesem Zufall hielt. »Frau Andresen war doch sicherlich froh, dass ihrem Kind nun vielleicht geholfen werden konnte.«
Björn nickte. »Ja, aber inzwischen steht alles wieder in Frage. Saskia geht es schlechter denn je. Sie wird künstlich beatmet, das hat mir Frau Andresen gestern erzählt, als ich sie vor dem Haus traf.«
Nun sah Erik endlich auf und schien sich an dem Gespräch beteiligen zu wollen. Aber zu Sörens Verwunderung bat er nur: »Schreiben Sie uns Ihre Adresse auf, Herr Mende. Falls wir noch weitere Fragen haben.«
»Ich wohne nebenan, in der Pension Störtebeker«, gab Björn zurück. »Jedenfalls, solange ich auf Sylt bin. Meine Hauptwohnung ist in Husum.«
Erik blickte wieder auf den Brief und schien nur darauf zu warten, dass Björn Mende sich umdrehte und ging.
»Wir müssen Sie bitten, fürs Erste die Insel nicht zu verlassen«, erklärte Sören. »Alle, die mit Ulla Andresen irgendwie Kontakt hatten, müssen zu unserer Verfügung bleiben.«
»Geht klar«, antwortete Björn und verließ das Zimmer.
Er war noch auf der Treppe, als Erik sagte: »Sehen Sie sich diesen Brief an, Sören. Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Haben Sie den nicht kürzlich erwähnt? Und der Schreiber hat mal in der Firma Kern gearbeitet. Das könnte doch die Firma von Christa Kerns verstorbenem Mann sein.«
Sören griff zu dem Brief. »Jens Gühlich! Natürlich! Das ist Tove Griess’ Schwager. Der Mann, der seine Frau umgebracht hat.«
»Toves Schwester?«
»Ja! Weil sie ihn betrog!«
»Mit Fietje Tiensch!«
»Fünfzehn Jahre hat er gesessen, und vor kurzem ist er entlassen worden. Wieso hat er Ulla Andresen geschrieben?«
»Er war ihr Cousin.«
Während Sören noch las, rief Erik nach Wolf Andresen. Der brachte einen Schwall eiskalten Fischgeruchs mit herein. Und er sah sich in dem Zimmer um, als wäre er lange nicht mehr dort gewesen.
»Sagt Ihnen der Name Jens Gühlich etwas?«, fragte Erik.
Andresen dachte kurz nach und nutzte diese Zeit, um die Tür so weit aufzuschieben, dass sich die untere Kante mit einer Linie des gestreiften Teppichbodens deckte. »Der Cousin meiner Frau! Er hat Ulla immer wieder aus dem Gefängnis geschrieben, wollte Kontakt haben, weil er sich einsam fühlte. Er versuchte es immer wieder mit der Mitleidstour. Aber wer hat schon Mitleid mit einem Mörder?«
»Ein paar Mal muss Ihre Frau ihm aber trotzdem geschrieben haben. Er bedankt sich für ihre Briefe.«
»Schon möglich. Er war nun mal ihr Cousin.«
Nun mischte sich Sören ein. »Jens Gühlich schreibt, dass von den
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