Die Tote im Götakanal
Portion Wurstsalat. Dann spaziert er nach Hause. Auf den Straßen liest er die Kinoanschläge und bleibt vor irgendwelchen Sport- oder Eisenwarengeschäften stehen. Um Mädchen kümmert er sich überhaupt nicht. Für Tageszeitungen scheint er sich nicht zu interessieren, ich habe nie beobachtet, daß er sich eine gekauft hat. Dagegen liest er regelmäßig das Record-Magazin und so ‘ne Anglerzeitschrift, den Namen hab ich vergessen.
Ein blaues Moped der Marke Monark hat er nicht, dafür ein rotes, Marke Svalan. Post bekommt er selten. Mit den Nachbarn im Haus hat er keinen näheren Kontakt, grüßt sie aber auf der Treppe. Willst du sonst noch was wissen?«
»Wie ist er als Mensch?«
»Woher soll ich das wissen? Er ist ein Fan von Djurgärn«, sagt Stenström.
»Nun mal Scherz beiseite…«
»Solide, ruhig, stark und langweilig. Das Fenster die ganze Nacht über einen Spalt offen. Sauber gekleidet. Wirkt nicht nervös. Hat’s nie besonders eilig, trödelt aber auch nicht. Müßte Pfeifenraucher sein, ist er aber nicht.«
»Hat er euch bemerkt?«
»Das glaube ich nicht. Mich jedenfalls bestimmt nicht.«
Sie schwiegen eine Weile und sahen aus dem Fenster. Es schneite in dicken weißen Flocken.
»Also wenn du mich fragst…« nahm Kollberg das Gespräch wieder auf »… dann macht er jetzt so weiter bis zu seinem nächste n Urlaub. Mir soll’s recht sein, aber kann der Staat sich leisten, zwei seiner besten Beamten…« Er unterbrach sich.
»Heut nacht hab ich den Schreck meines Lebens bekommen. Ich stehe da in meiner Toreinfahrt, da macht plötzlich ein Betrunkener ›Buh!‹ zu mir hin.
Also wirklich, ich hätte mir beinahe was weggeholt.«
»Ist er nun unser Mann oder nicht?«
»Er gleicht dem Mann von dem Film aufs Haar.«
Martin Beck lehnte sich zurück. »Okay, wir vereinnahmen ihn.«
»Wann?«
»Jetzt.«
»Und wer soll das machen?«
»Du. Aber warte, bis sein Dienst zu Ende ist, damit er nichts versäumt. Nimm ihn mit zu dir rauf und stelle seine Personalien fest. Dann sag mir Bescheid.«
»Die weiche Tour?«
»Absolut!«
Die Uhr zeigte halb zehn, und der Tag war der 14. Dezember. Sten war der Name des Tages, und Martin Beck hatte heruntergewürgt, was die Stadtpolizei anläßlich der Lucia-Feier spendiert hatte: ein klitschiges Gebäckstück und zwei Gläser Glühwein, der so gut wie alkoholfrei war. Danach rief er den Landsfogd in Linköping und Ahlberg in Motala an und hörte zu seinem Erstaunen beide sagen:
»Ich komme.«
Sie trafen nachmittags gegen drei Uhr ein. Der Landsfogd war in Motala vorbeigefahren; er wechselte einige Worte mit Martin Beck und ging dann zu Hammar hinein. Ahlberg blieb bei Martin Beck im Zimmer und saß zwei Stunden lang in seinem Besuchersessel. Aber sie wechselten nur wenige Sätze. Ahlberg fragte:
»Meinst du, daß er es ist?«
»Ich weiß nicht.«
»Er muß es sein.«
»Ja.«
Fünf Minuten vor fünf klopfte es an der Tür. Es waren der Landsfogd und Hammar.
»Ich bin überzeugt, daß du recht hast«, erklärte der Landsfogd. »Geh nach der Methode vor, die du selbst für richtig hältst.«
Martin Beck nickte.
Zwanzig vor sechs klingelte das Telefon.
»Ich bin’s«, sagte Kollberg. »Folke Bengtsson ist jetzt hier. Kannst du raufkommen?«
Martin Beck erhob sich. An der Tür warf er Ahlberg einen Blick zu. Keiner sagte ein Wort.
Langsam ging er die Treppe hinauf. Trotz der Tausende von Verhören, die er hinter sich hatte, empfand er ein eigenartiges Kribbeln in der Magengegend und im linken Teil des Brustkorbs.
Kollberg hatte die Jacke abgelegt und stützte die Ellbogen auf den Tisch, er wirkte ruhig und wohlwollend. Melander saß mit dem Rücken zu ihm und kramte in aller Gemütsruhe in seinen Papieren.
»Das ist Herr Folke Bengtsson«, sagte Kollberg und kam hoch.
»Beck.«
»Bengtsson.«
Ein unverbindlicher Händedruck.
Kollberg zog die Jacke an. »Ich hau jetzt ab. Also, bis auf morgen.«
Martin Beck setzte sich. In Kollbergs Schreibmaschine steckte ein Blatt Papier. Er zog es heraus und las: Folke Lennart Bengtsson. Expeditionsleiter, geb. 6. August 1926 in Stockholm. Unverheiratet.
Martin Beck betrachtete den Mann. Ein Alltagsgesicht. Blaue Augen, graue Strähnen im blonden Haar. Kein Zeichen von Nervosität. Ruhig und gelassen.
»Wissen Sie, warum wir Sie hergebeten haben?«
begann Martin Beck das Verhör.
»Herr Kollberg hat etwas von einer Auskunft gesagt…«
»Das stimmt. Sie können uns möglicherweise
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