Die Tote im Maar - Eifel Krimi
Schirme und volltönende Gesänge … Sie alle geleiten den Sarg samt Inhalt erst in sein neues Heim und von dort direkt ins Paradies. Eine Blaskapelle begleitet die Prozession; noch sind ihre Lieder voll der Trauer, doch auf dem Rückweg vom Friedhof werden es fröhliche Märsche sein.
In Schalkenmehren und auf unserem Friedhof trugen die Sargträger ausnahmslos Anzug und Krawatte, und die wenigen Gäste waren dezent gekleidet, aber es lief Dixie und auch Swing, und wir geleiteten Zelda Krieger in ihr Paradies.
Der Trauerredner war ziemlich jung, vielleicht hätte ihn Zelda knackig genannt, aber so gut hatte ich sie nicht kennengelernt. Er packte ihr Leben in eine Geschichte, und dann kam tatsächlich der Teil, den Galen im Codebuch entdeckt haben musste. Franka Paroli, die beste Freundin, die sich Zeldas Namen auf das Schulterblatt hatte tätowieren lassen – in ewiger Freundschaft.
Luise grinste mich an, und ich grinste zurück.
»Das war richtig schön«, sagte sie mir hinterher. »Geht’s dir besser, konntest du schlafen?«
Ich war nur durcheinander gewesen, aber die ewige Freundschaft auf dem Schulterblatt einer fremden Frau brachte mich dazu, Luise gegenüber zuzugeben: »Ich hab geschlafen, irgendwie, aber sogar im Halbschlaf hatte ich Angst, dass die Bilder mit Katharina zurückkehren. Es war furchtbar, aber das Wissen, es könnte sich wiederholen, ist es auch. Und ich musste seit einer Ewigkeit wieder an Hugo Renz denken.« Klang ich verzweifelt?
»Hugo Renz. Das ist lange her«, sagte Luise, doch sie hatte nicht fragen müssen, wen ich meinte, also konnte ich mir sicher sein, dass auch sie Hugo nicht vergessen hatte. »Du verbindest zwei verschiedene Dinge miteinander. Das gehört nicht zusammen, kann es gar nicht, außer deine Mutter hätte Hugo angefahren, aber das ist nicht möglich, weil sie da schon nicht mehr in Schalkenmehren war. Isabel, ich mache mir Sorgen – richtige Sorgen, hörst du?«
Ich redete zu viel. Unsinn. Laute Gedanken, in denen ich zusammenfügte, was mir alles im Kopf herumschwirrte. Das musste sich natürlich windschief anhören. Es fühlte sich nämlich auch genauso an.
Als Nächstes fand ich mich in Luises Wohnzimmer wieder, und diesmal mischte ich die Karten. Meine Karten, mein Leben.
Alles nur, weil ich und sie, weil wir gerade in der passenden Untergangsstimmung waren. Wir waren auch beim letzten Mal in der passenden Stimmung gewesen. Vor langer Zeit.
Angefangen hatte alles mit einer Absage, und Luise war gleichermaßen verletzt und stinksauer gewesen. Wir waren dreizehn, da nahm man alles sehr ernst, was auch nur ein bisschen nach Ungerechtigkeit roch. Meine Freundin wollte unbedingt Ministrantin sein.
Halleluja! Mir wurde bei dem Geruch von Weihrauch schon schlecht. Aber Luise war es wichtig, also war klar, dass sie meine Unterstützung hatte. Und als der damalige Pfarrer sie ablehnte, weil sie kein Junge und rothaarig war, sann Luise auf Rache.
Was mehr wog, kein Junge oder die roten Haare, erfuhr Luise vom Pfarrer nicht, aber ihre Rache fiel komplett anders aus, als sie sich das vorgestellt hatte. Auch komplett anders, als ich mir das gedacht hatte.
Jetzt saßen wir über den Karten, die sie konzentriert aufgelegt hatte. Mein Leben. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
»So einen Sarg«, sagte ich und zeigte auf eine Karte, auf der zwei brennende Kandelaber einen schwarzen Truhensarg flankierten, »gibt’s heute gar nicht mehr, wie alt sind die Dinger denn?« Ich meinte ihre Karten und nicht nur die mit dem Sarg. Im Institut würde sie bei einem solchen Anblick zusammenklappen.
»Sieht nicht gut aus, diese Konstellation hier.« Sie verzog den Mund und wedelte mit der Hand.
»Hmhm«, sagte ich vage. Ich glaubte nicht wirklich daran, dass jemand mit einem Haufen Bildkarten mein ganzes Leben überblicken konnte. Ich hatte die Karten doch nur gemischt. Andererseits hatte sie damals auch etwas über Hugo Renz zu sagen gehabt.
Luise war ganz in ihrem Element, und ich dachte nicht zum ersten Mal: Hätte sie doch bloß Ministrantin werden dürfen. »Der Sarg steht für einen Verlust«, informierte sie mich. »Daneben liegt eine Nachricht, und dieser folgt eine Zusammenkunft«, lautete die weitere Deutung. »Aber da …« Mit großen Augen starrte sie zuerst mich an, dann wieder auf die Karten. Es sah aus, als hätte etwas sie erschreckt.
»Eine Gefahr«, sagte Luise. »Du musst dich in Acht nehmen, die Gefahr kommt aus der Tiefe.«
»Carola Harzer«,
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