Die Tote im Maar - Eifel Krimi
den See. Er harrt aus, ging es mir durch den Kopf. Doch als ich näher kam, konnte ich die Spannung in seinem Gesicht sehen. Er war alles andere als ruhig.
Galen drehte den Kopf zur Seite, und als er Luise und mich auf sich zukommen sah, war der Eindruck verschwunden.
»Ich würde sagen, es ist noch nicht überstanden«, sagte er, und ich meinte, einen Schatten über sein Gesicht wandern zu sehen.
»In meinen Bildkarten habe ich eine Gefahr gesehen«, gab Luise zum Besten. Ich stöhnte.
Galen veränderte seine Haltung und verzog das Gesicht, als würde diese kleine Bewegung Schmerzen auslösen.
Mir wurde bewusst, dass ich keine Ahnung hatte, was der Grund dafür war, dass er sein Bein nachzog. Ein Unfall, eine Verletzung? Vielleicht hatte mein Vater es ja gewusst.
»Was steht eigentlich alles in diesem Codebuch?«, fragte ich ihn. »Die Geschichte mit Zelda Kriegers bester Freundin fand ich jedenfalls schön.«
»Ich auch«, sagte Luise.
»Lies es«, empfahl er mir. »Es sind oft die kleinen Besonderheiten, die einem Leben seinen schönen Erinnerungswert geben. Doch nur wenig ist es wert, erinnert zu werden«, sagte er dann. »Es liegt wieder in deinem Schreibtisch. Ich bin auf dem Friedhof, nach dem Rechten schauen.«
Galen wandte sich um und tat, was ich eigentlich hatte tun wollen, sich vergewissern, dass alle Särge noch unter der Erde waren.
»Geht’s ihm nicht gut? Er ist komisch«, sagte Luise.
»Sein Bein tut weh«, gab ich zurück. Vielleicht war es ja wirklich nur das Bein, vielleicht aber auch etwas ganz anderes.
Doch schon im nächsten Augenblick unterbrach jemand den Gedanken. Ich wurde angerempelt und zur Seite geschoben. Ein dürrer Mann mit langer Nase und Koteletten, die Elvis in seiner besten Zeit Ehre gemacht hätten, eilte mit einer großen Kamera auf der Schulter an uns vorbei. »Eifel- TV «, informierte ein orangefarbener Aufkleber. Hinter ihm beeilte sich eine kleine Frau mitzuhalten. Sie hielt ein augenscheinlich kilometerlanges Kabel und ein dickes Mikro in der Hand.
Schalkenmehren war in Aufruhr, und Luise und ich waren mittendrin. Ein bisschen lauerten wir darauf, die Erde könnte wieder beben.
Einige Male wurde ich aufgehalten und gefragt, ob ich offiziell hier sei. Vermutlich glaubten die Leute, wenn Isabel Friedrich vom Bestattungsinstitut vor Ort war, dann müsse es auch eine Leiche geben. Ich hoffte inständig, es gäbe keine. Aber wo war Sophia Schäfer?
6
Es war kein Auftrag wie jeder andere, denn am Beginn stand etwas höchst Sonderbares. Als die Nachricht von einem Beben in Schalkenmehren im Präsidium eingegangen war, hatte Vincent Klee die Kollegen als Erstes gebeten, Professor Beus, den Leiter der Erdbebenstation in Bensberg, anzurufen. Das Seismometer der Station erfasste die Erdbewegungen in der Eifel und zeichnete sie auf. Die Maare standen seit Langem unter Beobachtung, es war also zu erwarten gewesen, dass sich in der Hinsicht einmal etwas tat.
Doch wie es aussah, gab es keine Protokolle darüber, dass eines der Geräte etwas Stärkeres als leichte Wellenbewegungen aufgezeichnet hätte. Weder an diesem Tag noch an einem anderen.
»Es kann kein normales Beben gewesen sein«, hieß es. »Aber womöglich sind das die Vorläufer eines Ausbruchs.«
Das hatte gerade noch gefehlt.
Die Wasserschutzpolizei Trier war im Grunde nicht zuständig, aber offenbar wurde eine Frau vermisst. Und das betraf ihre Behörde durchaus. Von der Frau wusste man, dass sie jeden Morgen am unteren Uferweg des Weinfelder Maares mit ihrem Hund spazieren ging. Die Kollegen in Daun waren bei ihrem Haus in Schalkenmehren gewesen, das sie verlassen vorfanden, auch war nirgendwo etwas von einem Hund zu sehen. Kriminalhauptkommissar Vincent Klee hatte die Bestätigung abgewartet, um dann die Kollegen, die gerade von einem Einsatz zurückkamen, zusammenzutrommeln.
Das unauffällige Gebäude der Wasserschutzpolizei mit dem kleinen Vorgarten stand am Pacelliufer. Die Dienstbereiche wurden nach Kilometern, Flussmündungen oder nach den Landesgrenzen gerechnet. Die Eifelmaare hatten bislang nicht dazugehört, doch wenn Kollegen um Unterstützung baten, dann wurde sie gewährt.
Was immer dort vorgefallen war, sie würden sich im See umsehen müssen.
Der Besprechungsraum mit einem Dutzend Tischen und Stühlen füllte sich allmählich. Die Männer hatten ihre Kaffeebecher, Schokoriegel und allerhand Essbares dabei. Es sah aus, als hätte jemand eine Horde Schüler früher aus der Pause
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