Die Tote im Maar - Eifel Krimi
Das war für eine Tote nicht gut, ich musste mich beeilen. Meine Mutter hatte dunkle, ozeanblaue Augen gehabt, meinen ganz ähnlich.
Ich ließ eine Hand über das Gesicht gleiten, diesmal um die Lider zu öffnen. Im ersten Augenblick schrak ich zurück. Einem Leichnam die Augen zu öffnen war etwas, das ich nie zuvor getan hatte. Ich würde es ganz sicher kein zweites Mal tun, der grausige Anblick würde mich bis in meine Träume verfolgen. Welche Farbe diese Augen einmal gehabt hatten, jetzt waren sie an den Rändern farblos, eine weiße gallertartige Masse, die Iris nur ein dunklerer Schatten. Ich schloss ihr die Lider wieder und wandte mich ab.
Ich musste erst mal Luft holen. Was für eine dämliche Idee, Isabel Friedrich, schimpfte ich mit mir. Ein Augenblick an der Luft würde mir auch guttun, beschloss ich.
Luise hatte mich gefragt, was ich tun würde. Morgen war die Beerdigung. Tun würde ich gar nichts, ich musste nachdenken.
Zwei Frauen, die einander so ähnlich sahen, dass nur ein Mal sie voneinander unterschied. Sie mussten Zwillingsschwestern sein.
19
Eine braune Jeans, dazu ein dunkelblaues Hemd und hoffen, dass es tatsächlich kein Traum gewesen war. Christoffer hatte alles, was er heute tragen wollte, aufs Bett gelegt. Sogar an passende Socken hatte er gedacht. Welche Schuhe? Vielleicht die neuen Turnschuhe, die sahen gut aus.
Er würde seine Mutter fragen müssen, was ihm nicht behagte. Sie beobachtete ihn, als wäre er krank. Er hatte sich betrunken, weil es hieß, man würde die Welt dann nicht mehr in ihrer tristen Deutlichkeit sehen, aber das hatte rein gar nichts bewirkt, im Gegenteil, er hatte sich noch viel schlechter gefühlt.
Er würde dort sein, auf dem Friedhof, sich verabschieden von einer Frau, die er nicht einmal gekannt hatte. Es war richtig. Ihm war es wichtig. Er hatte sie nicht getötet, und doch hatte er noch nie zuvor in der Art um jemanden getrauert.
Der Tod war ihm so nah gewesen, dass er Angst hatte, er würde ihn unter seinem weiten Mantel einfach mit in sein finsteres Reich nehmen.
Christoffer fuhr sich durch die dunklen Haare, er wollte gut aussehen. Auf einer Beerdigung. Super.
Er überprüfte vor dem Spiegel noch einmal die Kombination Braun-Dunkelblau. Dann lief er die Treppen hinunter, um passende Schuhe auszusuchen.
Blumen. Verdammt, brachte man nicht mindestens eine mit, um sie ins Grab zu werfen? Was diese Bräuche anging, wusste er nicht sonderlich gut Bescheid. Vielleicht hatte seine Mutter ja etwas in einer Vase stehen, das er nehmen konnte.
Es war wohl keine gute Idee, sich in einem fremden Garten erwischen zu lassen, sonst hätte er das riskiert.
Er hatte sich verändert, plötzlich schien er so etwas wie ein Gewissen zu haben. Ob ihm das gefiel, da war er sich nicht so sicher. Dass Alex und Silvio über ihn lachen würden, da konnte er sich allerdings ziemlich sicher sein. Bisher hatte er sich den beiden immer überlegen gefühlt und sie das auch spüren lassen. Nicht in Ordnung. Ganz und gar nicht. Silvio hatte sich nach der Sprengung um ihn gekümmert, als er nicht wusste, ob an ihm noch alles heil war, und er desorientiert und mit einem Hörtrauma umherstolperte. Sein Freund hatte ihn zu sich nach Hause gebracht, weil dort niemand war, der Fragen stellen würde. Silvios Mutter arbeitete vormittags im Supermarkt. Dann war er zurückgegangen und hatte sich zusammen mit Alex darum gekümmert, die Sachen, die sie benutzt hatten, verschwinden zu lassen. Freunde. Beide. Christoffer hatte nie gewusst, was genau das bedeutete. Er hatte es auch nie wissen wollen, es hatte ihn gar nicht interessiert.
Und er hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als Silvio und Alex zu drohen, sie sollten den Mund halten, sonst würde etwas passieren. Etwas Schlimmes, dagegen würde ihnen die Sprengung nur wie ein Silvesterkracher vorkommen.
»Wie bescheuert ist das denn?« Er hatte laut gesprochen. Sein Plan stand fest, er würde sich entschuldigen. Noch heute. Und er würde die Schuld für die ganze Sache auf sich nehmen. Ein Gast auf dem Weingut der Sonnenscheins war Kriminalpolizist. Das hatte er jedenfalls von seinem Vater aufgeschnappt.
Der würde toben, wenn sein Sohn die Familie in Verruf brachte mit seiner Tat. Trotzdem, es war richtig, und er würde keinen Zentimeter von seiner Absicht abrücken. Er brauchte nur noch die nötige Courage dafür.
»Christoffer?«, sagte seine Mutter und sah ihn an, als hätte sie ihn lange nicht gesehen, als müsste sie
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