Die Tote im Maar - Eifel Krimi
sich erinnerte, dass jemand Neues in die Stadt gekommen war. Eine Frau.«
Luise machte den Mund auf. Meine Entscheidung fiel in einer Nanosekunde, obwohl es mir länger erschien, denn ich ratterte wie eine altmodische Zählmaschine Gedanken am Stück herunter.
Sie würde gleich sagen, dass ihr eine Frau aufgefallen war. Womöglich auch noch etwas anderes. Es ging nicht, noch nicht. Ich griff nach dem Glas und schob dabei scheinbar ungeschickt meinen Teller vom Tresen. Er zersprang. Explosionsartig flogen Besteck, Braten und einige Trauben durch die Luft.
Freundinnen verstanden einander. Im Normalfall. Und Luise verstand. Dafür kannten wir uns lange genug.
»Na toll, die guten Sachen. Du hast Glück, dass du so reinlich bist. Die Fliesen sind blitzblank, einiges davon kann man noch essen«, befand Luise, rutschte von ihrem Stuhl und machte sich daran, die Lebensmittel zusammenzusuchen.
Ich war ihr dankbar für den lockeren Ton. »Tut mir leid, die Hand ist nicht sonderlich verlässlich«, entschuldigte ich den Vorfall.
Luise hieß mich sitzen bleiben und kehrte das Porzellan zusammen, bevor sie Wasser und Spülmittel holte, um den Schaden wegzuwischen. Sie zwinkerte mir zu. Für mich hieß es, ich schuldete ihr mindestens eine Erklärung dafür.
»Du solltest es morgen anschauen lassen«, sagte Galen.
»Sie hat gesagt, sie tut es«, kam mir Luise zuvor. »Es hat ziemlich geblutet, es sieht auch nicht gut aus. So etwas käme mir grade sehr gelegen. Der diesjährige Gastgeber der Weinrallye gibt ein unglaublich verkorkstes Thema vor. Wenn ich eine verbundene Hand hätte, dann könnte ich nicht schreiben, bräuchte mir folglich auch keine Gedanken zu machen, wo ich mir schon so unglaublich viele Gedanken gemacht habe. An allen Ecken und Enden.«
Und es würden noch ein paar mehr werden.
21
Isabel hatte sich entschuldigen lassen, Luise Sonnenschein musste das nicht.
Vincent hatte mit den Trauergästen, zumindest mit einigen von ihnen, auf der großen Terrasse mit der Natursteinumrandung im Dorfgasthof gesessen. Er würde sich nicht einladen lassen, doch er spekulierte ein wenig darauf, dass sich die Leute etwas erzählten, Geschichten austauschten. Er bestellte eine überbackene Zwiebelsuppe und lauschte erst einmal in die Runde.
Vincent hatte nicht vorgehabt, mit seinen Fragen wirklich etwas in Erfahrung zu bringen, er hatte nur jemanden aufschrecken wollen, und soweit er es beurteilen konnte, war er darin erfolgreich gewesen.
Wenn er sich allerdings gedacht hatte, er könnte Galen Blocher erwischen, dann sah er sich getäuscht. Der war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Du entkommst mir nicht, sagte sich Vincent.
Er hatte mit dem Gedanken gespielt, nach der Trauerfeier und dem Imbiss Isabel aufzusuchen. Entweder im Institut oder zu Hause. Doch dann hatte er sich kurz entschlossen anders entschieden und sich stattdessen mit Konstantin Höllrath verabredet, das erschien ihm sinnvoller an einem Beerdigungsabend. Vielleicht war das auch nur sein persönlicher Vorwand, und er wollte dem Psychoanalytiker einige Fragen stellen. Höllrath würde ihn durchschauen, so viel war klar, und es war auch nicht maßgeblich, es störte ihn nicht.
Vincent hatte sich die Unterlagen über Isabels Unfall angeschaut. Der Wagen war auf den Bildern kaum als Mini zu erkennen gewesen. Er war die Strecke selbst gefahren, da war überhaupt nichts, das einen solchen Überschlag gerechtfertigt hätte, und es gab keine Anzeichen, dass ein anderes Fahrzeug daran beteiligt gewesen war. Die Spuren im Unfallbericht deuteten darauf hin, dass Isabel mitten auf der Strecke abrupt gebremst haben und irgendetwas ausgewichen sein musste.
Die Frau, die sie gefunden hatte, beschrieb sie als verwirrt, aber was ließ sich davon schon ableiten? Verwirrung war das Mindeste, nachdem man sich zweimal überschlagen und eine schwere Gehirnerschütterung davongetragen hatte.
Von wo war sie auf dem Rückweg gewesen? Er hätte nicht geglaubt, dass Konstantin Höllrath die Antwort darauf hatte …
Es passte. Der Tag, die Uhrzeit. »Du hast mir nicht gesagt, an welchem Tag Isabel Friedrich bei dir war.« Vincent wusste, es klang etwas nach Gemecker.
»Du hast nicht gefragt«, gab Höllrath trocken zurück. »Und ja, es könnte sein, dass der Besuch bei mir Auslöser für ein Erinnern war. Diese Art Gedächtnisverlust stecke ich in die Kongrade-Amnesie-Schublade. Der Betroffene kann sich an ein bestimmtes Ereignis nicht mehr erinnern. Aber da spielt
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