Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
sein müssen, um einen Kerl, der blutgetränkt mit einem Brecheisen und einer Smaragdkette in der Hand das Regenrohr heruntergleitet, nicht zu sehen. Bill ist einer der wachsamsten Männer, mit denen ich je gedient habe. Ich glaube ehrlich, niemand hätte das Gebäude hochkommen, das dicke Ritz-Fenster einschlagen und wieder herunterklettern können, ohne dass er es bemerkt hätte. Wissen Sie, Ralph, in mir keimt der Verdacht, dass der Mord gar nicht von jemand verübt wurde, der durch das Fenster kam … Natürlich sollten wir derzeit noch alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, aber lassen Sie uns einmal darüber nachdenken. Könnte es sich bei dem Einschlagen der Scheibe nur um ein Ablenkungsmanöver gehandelt haben? Haben Sie noch die Skizze, die Sie am Tatort fertigten?«
Joe fiel auf, dass Cottingham sie bereits in der Hand hielt. Der Inspektor verriet durch ein rasches, befriedigtes Lächeln, dass er vor dem Chef zu diesem Schluss gekommen war.
»Die Scheibe wurde von der Außenseite eingeschlagen - daran kann kein Zweifel herrschen -, aber das hätte man von innen tun können, indem man das Fenster öffnete. Dann würde man erwarten, die Scherben hier zu finden …« - er wies mit einem Bleistift -, »… direkt unter dem Fenster in diesem Muster.« Er hielt inne. »Genau das haben wir auch. Aber ich ergriff die Gelegenheit, gestern noch einmal an den Tatort zurückzukehren, bevor er gereinigt wurde. Ich ließ die Sperrholzlatten entfernen, und als das Tageslicht durch das Fenster fiel …« - sein Schnauzbart sträubte sich vor Triumph, den er kaum unterdrücken konnte -, »… entdeckte ich ein ganz anderes Muster, Sir, das ich hier skizziert habe.«
Er zog einen größeren Plan des Bereichs vor dem Fenster hervor. »Die Scherben hier rechts sind da, wo man nach ihnen suchen würde, wie ich schon sagte, aber es gibt weitere Spuren, Fegespuren auf dem Flor des Wilton-Teppichs, hier in der Nähe der Südwand. Außerdem derart kleine Glassplitter, dass wir sie in der Mordnacht nicht sehen konnten.«
»Dann stand also jemand hier am Fenster, öffnete es und schlug es ein. Jemand, der klug und eiskalt genug war, um die Scherben genau dort hinzufegen, wo man sie vermuten würde.«
Cottingham nickte. »Es geht noch weiter. Ich nahm Proben der größeren Scherben und schickte sie für eine mikroskopische Analyse ins Labor. Tja, man weiß ja nie … nur für den Fall …« Er schob ein weiteres Blatt Papier über den Schreibtisch. »Auf einer von ihnen befanden sich winzige Baumwollfasern, Sir. Elfenbeinfarben, ägyptische Baumwolle. Passt genau zu den Handtüchern des Ritz. Unser Mann hat das Geräusch des zerspringenden Glases gedämpft.«
Joe lächelte. »Was für eine Leistung! Aber wenigstens wird sich Bill freuen, wenn er hört, dass mit seinem Gehör doch alles in Ordnung ist … oh, danke, Charlie!«
Sie hielten die Hände um die Porzellanbecher und nippten nachdenklich an dem starken Assam-Gebräu.
»Also gut. Wir suchen nach einem großen Mann, einem Mann, der höchstwahrscheinlich Zugang zum Zimmer von Dame Beatrice hatte und ihr, wie wir annehmen dürfen, bekannt war. Er hatte einen heftigen Streit mit ihr und tötete sie, offensichtlich voller Inbrunst. Dann hat er völlig ruhig und - passt das Wort ›professionell‹ hier, Ralph? - professionell einen Einbruch durch das Fenster vorgetäuscht und ist irgendwie verschwunden, wobei er es schaffte, nicht von Constable Westhorpe gesehen zu werden.«
»So ungefähr, Sir.«
»Und da unser Verdächtiger nicht länger ein guter Kletterer sein muss, sieht es so aus, als ob Orlando sich die Galerie der Verdächtigen mit weiteren Leuten teilen könnte. Dieser Monty Mathurin, Cottingham, er ist gerade einige Stufen hochgefallen. Wir sollten ihm einen Besuch abstatten.«
»Ich kenne keinen … Orlando, sagten Sie?«
»Ach ja, der Bruder von Beatrice. Interessanter Mann …« Joe berichtete dem faszinierten Cottingham, was sie in Surrey herausgefunden hatten.
»Orlando hat zwar das stärkste Motiv, um sich seiner Schwester zu entledigen, aber offenbar hat er ein wasserdichtes Alibi. Ein Alibi, das Sergeant Armitage heute Morgen überprüfen wird.«
Cottingham nickte zustimmend. Sandilands genoss den Ruf, stets alles gewissenhaft zu kontrollieren. Er glaubte nie eine Aussage unbesehen. Alles verlief nach Vorschrift. Ordentliche ermittlungstechnische Teamarbeit. Cottingham wusste, sein Chef würde jetzt eine Stunde lang sorgfältig die Berichte lesen,
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