Die Tote im roten Cadillac
erstaunt den Kopf.
»Nein.«
»Wollen wir mal?«
Sie nickte, und wir gingen wieder quer durch die Halle bis zu Mister Andersons Arbeitszimmer.
Das Zimmer sah aus, als hätte noch niemals ein Mensch drin gearbeitet — den Diener ausgenommen, der es sauberhielt.
Sie ging auf den Schreibtisch zu, auf dem man ohne Mühe ein Tischtennis-Doppel hätte spielen können, und zog die unverschlossene Schublade auf.
»Hier ist er«, sagte sie und zeigte mir den kleinen Schlüssel.
»Gut«, nickte ich. »Danke schön! Und nun sagen Sie mir bitte noch: wer alles wohnt in diesem Haus?«
Außer ihr selber, ihrem Sohn Robby, Audrey, Lloyd Webster und Mister Anderson waren da noch: der Diener Geoffrey, zwei Dienstmädchen, ein Hausmeisterehepaar, ein Chauffeur, eine Köchin und ein Gärtner. Und bis vor zwei Tagen natürlich noch Olivia.
Wenn ich einige Leute von vornherein ausnahm, waren es immer noch zehn oder elf Personen, die leicht diesen kleinen Schlüssel und das Geld hätten holen können. Ich muß gestehen, daß ich in diesem Augenblick keine Ahnung hatte, wie ich da etwas herausbringen sollte. Mit Fingerabdrücken, langen Vernehmungen und ähnlichem Polizeikram brauchte ich hier gar nicht erst anzufangen.
»Gut«, sagte ich, »Sie bekommen Ihren Beweis und ich die restlichen zweitausendfünfhundert. «
Sie schien sichtlich erleichtert zu sein. Zum Abschied reichte sie mir sogar gnädig ihre Hand.
»Viel Glück, Mister Rodney«, sagte sie. Ich gab es auf, ihr diesen Namen auszureden. Wir verabschiedeten uns in der Halle, und ich wartete noch, bis sie verschwunden war.
Ob ihr überhaupt etwas gestohlen worden war? Wenn ich nur gewußt hätte, warum dieses beschränkte Frauenzimmer einen solchen Haß auf Lloyd Webster hatte!
Als ich nachdenklich auf die Terrasse hinaustrat, in diese flimmernde, brutale Hitze, da schoß mir plötzlich ein Gedanke zu — ein Mosaiksteinchen, zu dem sich schnell noch andere gesellten. Nein, Webster hatte das Geld auf keinen Fall gestohlen. Darin war ich mir sicher, aber ich hatte keine Ahnung, wer es wirklich gewesen war.
7
Neben dem Schwimmbassin, in dem spärlichen Schatten laubarmer Eichen, stand eine Hollywood-Schaukel. Hier saß Audrey und tat, als wäre sie in ein Magazin vertieft.
Erst als ich dicht vor ihr stand, blickte sie mit gut gespielter Überraschung auf.
»Ach, Sie sind es!« rief sie und schwang ihre langen Beine von der Couch herunter. »Ich bin so schrecklich froh, Sie zu sehen. Ich habe der Polizei sofort gesagt, daß Sie kein Mörder sind.«
»Das ist sehr nett von Ihnen.«
Sie hatte noch immer den winzigen schwarzen Bikini an. Ich schob mein Kinn ein wenig vor und sagte:
»Sie tragen sogar beim Baden Trauer?«
Sie senkte den Kopf, und als sie mich wieder anblickte, hatte sie Tränen in den Augen, die nicht von Zwiebeln stammten.
»Mein Gott«, sagte sie leise. »Was soll ich denn tun? Es ist fürchterlich. Ich habe Olivia wirklich gern gehabt. Aber ich kann ihr ja nicht mehr helfen, und es ist so schrecklich heiß überall. Ich halte es im Haus drinnen nicht mehr aus, und vor allen Dingen: ich kann diese Frau nicht ertragen.«
Ich setzte mich neben sie auf das Schaukelding und bot Ihr eine Zigarette an. Sie nahm sie, und wir rauchten eine Weile. Sie duftete nach frischer Haut und nassen Haaren.
»Wollen Sie etwas zu trinken?« fragte sie plötzlich.
»Nein, danke«, antwortete ich einsilbig.
Wieder schwiegen wir eine Weile, und ich sah zu, wie ihre Zehen im Grase spielten. Es war schönes Gras, von einem Gärtner gepflegt.
»Lieben Sie Robby?« fragte ich.
Sie rupfte mit ihren Zehen ein wenig Gras aus und schleuderte es fort.
»Was heißt lieben?« sagte sie. »Ich finde, er ist nicht besser und schlechter als alle anderen. Und außerdem ist er ein hübscher Kerl.«
»Und das reicht zum Heiraten?«
»Warum nicht? Man geht hin, schreibt seinen Namen in ein großes Buch, und dann ist es schon geschehen. Und wenn man nicht mehr will, geht man wieder hin, zahlt einem Anwalt tausend Dollar, und dann ist es wieder geschehen. Ich finde, es ist völlig egal, ob man verheiratet ist oder nicht. Es ist doch immer alles das gleiche.«
»Sie sind Siebzehn«, sagte ich, »aber Sie sprechen wie Hundertsiebzig! Können Sie sich denn gar nicht vorstellen, daß es im Leben auch noch etwas anderes gibt als alberne Männer und einen Haufen Geld?«
»Vielleicht«, sagte sie, »vielleicht gibt es das. Aber nicht für uns. Für uns besteht das Leben nun mal aus
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