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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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ihr angeheuert?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Der letzte Knabe, der’s versucht hat, landete im Knast, mein Sü‐
    ßer.«
    »Ich möchte wetten, daß das gut so ist«, sagte ich. »Wenn ich auch
    nur raten könnte, worum’s geht. Was hat er versucht?«
    »Ihn anzapfen«, sagte er kurz.
    »Zu schade, daß ich nicht weiß, wie«, sagte ich. »Er sieht aus, als
    könnte man leicht an ihm herumzapfen.«
    »Für Ihr Gerede können Sie sich nichts kaufen«, sagte er.
    »Okay«, sagte ich. »Versuchen wir’s mal so. Ich kenne Dr. Almore
    nicht, habe nie von ihm gehört und interessiere mich nicht für ihn.
    Ich bin hier, um einen Freund zu besuchen, und schau mir die schö‐
    ne Aussicht an. Was ich sonst noch mache, ist zufällig überhaupt nicht Ihre Angelegenheit. Wenn Ihnen das nicht paßt, dann wird’s das Beste sein, wenn wir die Sache einpacken, zum Polizeipräsidium
    fahren und sie dort dem diensthabenden Captain auf den Tisch
    knallen.«
    Er bewegte schwerfällig seinen Fuß auf dem Trittbrett und sah
    zweifelnd drein. »Keine krummen Touren?« fragte er langsam.
    »Keine krummen Touren.«
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    »Ach zum Teufel. Der Kerl hat sie nicht alle«, sagte er unvermittelt
    und blickte über seine Schulter zum Haus zurück. »Er sollte selber mal zum Arzt gehen.« Er lachte, ohne den geringsten Anflug von Heiterkeit in seinem Lachen. Er nahm den Fuß von meinem Trittbrett und fuhr sich in seine drahtigen Haare.
    »Verschwinden Sie, aber plötzlich!« sagte er. »Und meiden Sie un‐
    ser Revier, dann machen Sie sich keine Feinde.«
    Ich drückte wieder auf den Starter. Als der Motor leise surrte, sag‐
    te ich: »Wie geht’s AI Norgaard im Augenblick?«
    Er starrte mich an: »Sie kennen ihn?«
    »Ja. Er und ich, wir haben vor ein paar Jahren zusammen an einem
    Fall gearbeitet. Damals war Wax Polizeichef.«
    »AI ist bei der Militärpolizei. Wollte, ich war auch dort«, sagte er
    verbittert. Er war schon im Begriff wegzugehen, als er sich auf ein‐
    mal scharf auf den Absätzen zu mir drehte: »Verschwinden Sie!
    Aber plötzlich! Bevor ich mir’s anders überlege«, bellte er.
    Er ging schwerfällig über die Straße und wieder durch Dr. Almo‐
    res Eingangspforte.
    Ich schob den Gang rein und fuhr weg. Auf dem Weg zurück in die Stadt lauschte ich meinen Gedanken. Sie hüpften unruhig hin und her, wie Dr. Almores hagere nervöse Hand, als sie mit dem Rand der Gardine spielte.
    Zurück in L. A. aß ich zu Mittag und ging in mein Büro im Ca-huenga Building, um nach der Post zu sehen. Dann rief ich Kingsley
    an.
    »Ich habe mit Lavery gesprochen«, erzählte ich ihm. »Er hat genug
    Schmutz vor mir aufgewirbelt, um ehrlich zu wirken. Ich habe ver‐
    sucht, ihn ein wenig anzuzapfen, aber es ist nichts dabei herausge‐
    kommen. Am wahrscheinlichsten scheint mir immer noch, daß sie
    sich gezankt und getrennt haben und daß er hofft, die Sache mit ihr
    wieder ins Lot bringen zu können.«
    »Dann müßte er wissen, wo sie steckt«, sagte Kingsley.
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    »Er könnte, aber es muß nicht sein. Nicht zwangsläufig. Übrigens
    ist mir was ziemlich Komisches in Laverys Straße passiert. Es gibt da nur zwei Häuser. Das zweite gehört einem Dr. Almore.« Und ich
    erzählte ihm kurz, was mir an ziemlich Komischem passiert sei.
    Er schwieg einen Augenblick, dann sagte er: »Heißt der Doktor
    Albert Almore?«
    »Ja.«
    »Er war eine Zeitlang Crystals Arzt. Er kam einige Male zu uns, wenn sie, na ja, wenn sie zuviel getrunken hatte. Ich fand, daß er etwas zu schnell mit den Spritzen bei der Hand war. Seine Frau…
    lassen Sie mich überlegen… Irgendwas war mit seiner Frau. Ach ja,
    sie hat Selbstmord begangen.«
    Ich sagte: »Wann?«
    »Ich kann mich nicht erinnern. Muß schon ’ne ganze Weile her
    sein. Wir hatten keinerlei privaten Kontakt. Was werden Sie jetzt unternehmen?«
    Ich sagte ihm, daß ich nach Puma Lake hinauffahren wolle, ob‐
    wohl es heute schon ein wenig spät zum Losfahren sei.
    Er sagte, ich hätte genug Zeit und daß es in den Bergen eine Stun‐
    de länger hell sei.
    Ich sagte, das sei ja großartig, und wir hängten ein.

    San Bernardino brodelte und glühte in der Nachmittagshitze. Die Luft war so heiß, daß sich mir Blasen auf der Zunge bildeten. Ich japste nach Luft, während ich durch die Stadt fuhr, hielt gerade lange genug, um mir eine Flasche Schnaps für den Fall zu kaufen, daß
    ich ohnmächtig zu werden drohte, bevor ich die Berge erreicht hätte,
    und fuhr dann die lange Steigung

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