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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Inschrift machen. Ich stieg also aus und ging
    auf das nächste Blockhaus zu. Irgendwo hinter der Hütte erklangen
    dumpfe Axthiebe.
    Ich hämmerte gegen die Blockhaustür. Die Axt verstummte. Die
    Stimme eines Mannes dröhnte von irgendwoher. Ich setzte mich auf
    einen Felsbrocken und zündete mir eine Zigarette an. Schritte
    schlurften um die Ecke der Hütte. Unregelmäßige Schritte. Ein
    Mann mit einem scharfen Gesicht und einer schwartigen Haut kam
    in mein Blickfeld. Er trug eine Doppelaxt.
    Er war von schwerer Statur, wenn auch nicht sehr groß, und hink‐
    te beim Gehen, indem er sein rechtes Bein bei jedem Schritt einen kleinen Schwung nach außen und den Fuß einen kleinen Bogen voll-führen ließ. Er hatte ein dunkles unrasiertes Kinn, ruhige blaue Au‐
    gen und angegraute Haare, die sich über seinen Ohren ringelten und dringend nach einem Haarschnitt verlangten. Er trug grobe
    blaue Jeans und ein offenes blaues Hemd, das seinen muskulösen Hals frei ließ. In seinem Mundwinkel hing eine Zigarette. Er sprach
    in grobem, knappem Stadtton:
    »Ja?«
    »Sind Sie Mr. Bill Chess?«
    »Der bin ich.«
    Ich stand auf, zog Kingsleys Empfehlungsschreiben aus der Ta‐
    sche und gab es ihm. Er beäugte das Papier, tappte dann schwerfäl‐
    lig zur Hütte und kam mit einer Brille weit vorne auf seiner Nase zurück. Er las den Brief sorgfältig, und dann noch einmal. Er steckte
    ihn in seine Hemdtasche, schloß den Knopf der Tasche und streckte
    mir die Hand entgegen.
    »Es ist mir ein Vergnügen, Mr. Marlowe.«
    Wir schüttelten uns die Hände. Er hatte eine Hand wie eine Holz‐
    raspel.
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    »Sie wollen Mr. Kingsleys Haus sehen, hm? Ich zeig es Ihnen gern.
    Er wird es doch um Himmels willen nicht verkaufen wollen?«
    Er sah mich ruhig an und stieß den Daumen in Richtung See.
    »Weiß man’s?« sagte ich. »In Kalifornien wird so gut wie alles verkauft.«
    »Wie recht Sie haben. Das da ist seins, das aus Rotholz. Mit Zirbel‐
    kiefer abgesetzt. Festes Dach, das Fundament aus Stein, ebenso die
    Terrasse. Komplettes Bad mit Dusche, Jalousien überall; ein Riesen‐
    kamin, ein Ölofen im großen Schlafzimmer. Und, mein Lieber, was
    Sie im Frühling und Herbst zu schätzen wissen, kombinierte Gasund Holzheizung, alles tipptopp. Kostete rund achttausend, und das
    ist ’n Haufen Geld für ’ne Berghütte. Und ein eigenes Was‐
    serreservoir in den Bergen.«
    »Wie steht’s mit elektrischem Licht und Telefon«, fragte ich, nur um nicht unhöflich zu wirken.
    »Elektrisches Licht, klar. Kein Telefon. Zur Zeit kann man keins kriegen. Und wenn man’s kann, kostet’s ’n Haufen Geld, die Leitung hier raus zu legen.«
    Er sah mich mit seinen ruhigen blauen Augen an, und ich sah ihn
    an. Trotz seines wetterfesten Aussehens sah er wie ein Trinker aus.
    Er hatte die dicke, glänzende Haut, die allzu deutlich sichtbaren Adern und den hellen Glanz in den Augen.
    Ich sagte: »Ist hier zur Zeit jemand draußen?«
    »Nee. Mrs. Kingsley war vor ein paar Wochen hier. Sie ist wieder
    runtergefahren. Kann jeden Tag zurücksein, glaub ich. Hat er nichts
    gesagt?«
    Ich tat erstaunt: »Warum? Ist sie im Preis inbegriffen?«
    Er sah mich finster an, warf dann den Kopf zurück und explodier‐
    te in einem Gelächter. Das Dröhnen seines Lachens klang wie der Auspuff eines Traktors. Es sprengte die Waldstille in Fetzen.
    »Mein Gott, wenn das kein Schuß in die Hose ist«, schnaufte er.
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    »Ist sie im Preis inbegriffen.« Er stieß einen weiteren Brüller aus und schloß dann seinen Mund eng zu wie eine Falle.
    »Ja, das ist schon eine tolle Hütte«, sagte er, während er mich auf‐
    merksam beobachtete.
    »Sind die Betten bequem?« fragte ich.
    Er beugte sich vor und lächelte: »Sie woll’n wohl eins auf die Nase
    kriegen?« fragte er.
    Ich starrte ihn mit offenem Mund an. »Langsam, Mann, ich kapie‐
    re den Witz sonst nicht«, sagte ich. »Er ist nämlich völlig neu für mich.«
    »Woher soll ich denn wissen, ob die Betten bequem sind?« knurrte
    er, während er sich leicht vorbeugte, so daß er mich bequem mit einer schweren Rechten hätte erwischen können, falls es sich so ergeben sollte.
    »Ich weiß nicht, warum Sie es nicht wissen sollen«, sagte ich.
    »Aber ich will darauf nicht herumreiten. Ich kann selbst herausfinden, ob die Betten bequem sind.«
    »Klar«, sagte er verbittert. »Sie glauben wohl, daß ich ’nen
    Schnüffler nicht erkennen kann, wenn er vor mir steht. Ich habe mit
    denen Fangen gespielt,

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