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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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in jedem Staat der Union. Pech für Sie, Freund! Und Pech für Kingsley. Hat der sich also ’nen Schnüffler angeheuert, damit der hier raufkommt und nachschaut, ob ich seine
    Pyjamas trage, wie? Hör zu, du Mac! Ich mag zwar ’n steifes Bein haben und so, aber die Frauen, die ich kriegen kann…«
    Ich streckte eine Hand aus und hoffte dabei, daß er sie mir schon
    nicht ausreißen und in den See werfen würde.
    »Ihnen gehn die Pferde durch«, sagte ich ihm. »Ich bin nicht her‐
    gekommen, um Ihr Liebesleben auszuforschen. Ich kenne Mrs.
    Kingsley nicht, und ich kannte Mr. Kingsley bis heute morgen auch
    nicht. Was, zum Teufel, ist denn in Sie gefahren?«
    Er schlug die Augen nieder und rieb sich mit dem Handrücken
    heftig den Mund, so als ob er sich wehtun wollte. Dann hielt er die
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    Hand vor die Augen, ballte sie zu einer harten Faust, öffnete sie wieder und starrte auf seine Finger. Sie zitterten ein wenig.
    »Es tut mir leid, Mr. Marlowe«, sagte er langsam. »Ich hab gestern
    mächtig auf den Putz gehaun und hab ’nen Kater wie sieben
    Schweden. Ich bin hier oben seit einem Monat allein und fange schon an, Selbstgespräche zu führen. Ich hab Sachen erlebt.«
    »Was, wogegen ein Schluck gut täte?«
    Seine Augen musterten mich scharf und funkelten: »Haben Sie
    denn einen bei sich?«
    Ich zog die Bourbon‐Flasche aus meiner Tasche und hielt sie so, daß er das grüne Etikett sehen konnte.
    »Der ist viel zu schade für mich«, sagte er. »Verdammt viel zu schade. Warten Sie! Ich hol nur rasch ’n paar Gläser. Oder wollen Sie
    lieber mit reinkommen?«
    »Ich bleibe lieber hier draußen. Wegen der schönen Aussicht.«
    Er schwenkte sein steifes Bein, ging in seine Hütte und kam mit zwei ehemaligen Senfgläsern wieder zurück. Er setzte sich neben mich auf den Felsen. Er roch nach eingetrocknetem Schweiß.
    Ich drehte den Blechverschluß von der Flasche und goß ihm einen
    reichlichen Schluck und mir einen weniger reichlichen ein. Wir stie‐
    ßen mit den Gläsern an und tranken. Er rollte den Schnaps mit der
    Zunge, und ein freudloses Lächeln brachte ein wenig Sonnenschein
    in sein Gesicht.
    »Mann, der ist genau richtig«, sagte er. »Ich möcht bloß wissen, warum ich vorhin so hochgegangen bin. Ich glaube, man kann hier
    oben schon schwermütig werden, wenn man ganz allein ist. Keine Gesellschaft, keine wirklichen Freunde, keine Frau.« Er machte eine
    Pause und fügte dann mit einem Blick zu meiner Seite hinzu: »Vor
    allem keine Frau.«
    Ich blickte weiter auf das blaue Wasser des winzigen Sees.
    Unter einem überhängenden Felsen stieß ein Fisch in einer Licht‐
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    lanze durch die Wasseroberfläche; es entstand ein Ring sich verbrei‐
    ternder Wellen. Ein leichter Wind bewegte die Tannenspitzen, ein Geräusch, das an eine ferne Brandung erinnerte.
    »Sie hat mich verlassen«, sagte er langsam. »Vor einem Monat hat
    sie mich verlassen. Am Freitag, dem 12. Juni. Den Tag werd ich nie
    vergessen.«
    Ich blieb wie erstarrt sitzen. Aber nicht so erstarrt, daß ich ihm nicht einen weiteren Whisky in sein leeres Glas hätte gießen können.
    Freitag, der 12. Juni, das war der Tag, an dem Mrs. Crystal Kingsley
    in die Stadt hätte kommen sollen, um an einer Party teilzunehmen.
    »Aber das interessiert Sie ja nicht«, sagte er. Und in seinen ver-schwimmenden blauen Augen war ein so bettelndes Verlangen,
    darüber zu reden, so offenkundig, wie nur irgend etwas offenkundig sein kann.
    »Es geht mich zwar nichts an«, sagte ich. »Aber wenn es Sie ein wenig erleichtert…«
    Er nickte heftig. »Zwei Fremde, die sich auf ’ner Parkbank treffen«, sagte er. »Und anfangen, über ’n lieben Gott zu reden. Haben
    Sie das auch schon beobachtet? Leute, die nicht mal mit ihrem besten Freund über den lieben Gott reden würden.«
    »Ja, das habe ich auch schon beobachtet«, sagte ich.
    Er trank und blickte über den See. »Sie war ’ne klasse Frau«, sagte
    er sanft. »Manchmal ’n bißchen spitz mit der Zunge, aber ’ne klasse
    Frau. Es war Liebe auf den ersten Blick zwischen mir und Muriel.
    Ich traf sie in einer Kneipe in Riverside, ein Jahr und drei Monate ist das her. Es war eigentlich keine Kneipe, wo man erwarten konnte, ein Mädchen wie Muriel zu treffen, aber so war’s nun mal. Wir hei-rateten. Ich liebte sie. Ich weiß, es ging mir bestens. Aber ich war ’n so großes Stinktier, daß ich mich auf die Dauer nicht anständig be-nehmen konnte.«
    Ich bewegte mich ein wenig, nur um ihm zu

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