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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Kehrtwende. Dann jagte ich den Wagen in die andere
    Richtung. Hinter mir hörte ich grob eingeschobene Gänge, das Heu‐
    len eines wütenden Motors, und das rote Scheinwerferlicht überflu‐
    tete, wie es schien, meilenweit das Gelände der Ziegelei.
    Es war zwecklos. Sie waren hinter mir her und holten schnell auf.
    Mir fiel nichts ein, wie ich ihnen entkommen könnte. Ich wollte zu‐
    rück in eine Gegend, wo es Häuser gab und Leute, die herauskom‐
    men und alles beobachten und sich später vielleicht erinnern.
    Ich schaffte es nicht. Der Polizeiwagen war wieder auf gleicher 172
    Höhe mit mir, und eine barsche Stimme schrie:
    »Fahren Sie rechts ran, oder wir blasen ein Loch in Sie!«
    Ich fuhr an die Bordkante und bremste. Ich legte den Revolver ins
    Handschuhfach zurück und schloß es zu. Der Polizeiwagen hüpfte
    auf seiner Federung genau vor mein vorderes linkes Schutzblech.
    Ein fetter Mann sprang brüllend heraus. , »Erkennen Sie die Polizei‐
    sirene nicht, wenn Sie sie hören? Steigen Sie aus!«
    Ich stieg aus und stand neben meinem Wagen im Mondlicht. Der
    fette Mann hatte einen Revolver in der Hand.
    »Ihren Führerschein!« bellte er mit einer Stimme, die hart wie eine
    Schaufel war.
    Ich zog den Führerschein heraus und hielt ihn mit gestreckter
    Hand. Der andere Bulle im Wagen schlüpfte hinter dem Lenkrad
    heraus, kam zu mir herum und nahm, was ich ihm entgegenstreck‐
    te. Er leuchtete mit der Taschenlampe darauf und las.
    »Nennt sich Marlowe«, sagte er. »Teufel auch, der Kerl ist ’n Priva‐
    ter. Stell dir das vor, Cooney!«
    Cooney sagte: »Na und? Ich glaub, das da brauch ich kaum.« Er steckte den Revolver zurück in das Halfter und schloß die Leder-klappe. »Ich glaub, damit werde ich mit meinen bloßen Flossen fer‐
    tig«, sagte er. »Ich glaub’s jedenfalls.«
    Der andere sagte: »Hatte fünfundfünfzig drauf. Würd mich nicht
    wundern, wenn er getrunken hat.«
    »Laß dich doch mal von dem Schwein anhauchen«, sagte Cooney.
    Der andere beugte sich boshaft höflich vor: »Darf ich Ihren Atem
    riechen, Privater?«
    Ich ließ ihn meinen Atem riechen.
    »Na ja«, sagte er einsichtig. »Bis zum Umfallen ist er nicht besof-fen. Das muß ich zugeben.«
    »Für den Sommer ist das ’n ziemlich kühler Abend. Spendier dem
    Knaben doch einen Drink, Kollege Dobbs.«
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    »Das ist wirklich ’ne gute Idee«, sagte Dobbs. Er ging zurück zum
    Wagen und brachte eine Viertelliterflasche heraus. Er hielt sie hoch.
    Sie war zu einem Drittel voll. Er streckte mir die Flasche entgegen.
    »Mit unsern besten Wünschen, Kumpel.«
    »Mal angenommen, ich will nicht trinken«, sagte ich.
    »Sagen Sie bloß das nicht«, winselte Cooney. »Wir müßten ja sonst
    annehmen, daß Sie Fußabdrücke in der Magengrube vorziehen.«
    Ich nahm die Flasche, drehte den Verschluß ab und roch daran.
    Der Schnaps in der Flasche roch wie Whisky. Genau wie Whisky.
    »Ihr könnt nicht jedesmal den gleichen Witz machen«, sagte ich.
    Cooney sagte: »Es ist jetzt genau acht Uhr siebenundzwanzig.
    Schreib’s auf, Polizeibeamter Dobbs.«
    Dobbs ging zum Auto, beugte sich in den Wagen und notierte et‐
    was für seinen Bericht. Ich hielt die Flasche hoch und sagte zu Coo‐
    ney: »Bestehen Sie darauf, daß ich trinke?«
    »Nee. Wenn Sie wollen, spring ich Ihnen statt dessen auf Ihrem Körper rum.«
    Ich setzte die Flasche an, machte die Gurgel zu und füllte meinen
    Mund mit Whisky. Cooney stürzte vor und schlug mir mit der Faust
    in den Magen. Ich spuckte den Whisky aus und beugte mich würgend vor. Dabei fiel mir die Flasche aus der Hand.
    Ich bückte mich, um sie aufzuheben und sah, wie Cooney sein fet‐
    tes Knie gegen mein Gesicht hob. Ich sprang zur Seite, richtete mich
    auf und schlug ihn mit all meiner Kraft auf die Nase. Seine linke Hand fuhr zu seinem Gesicht hoch, seine Stimme heulte, während er
    mit der Rechten zur Revolvertasche griff. Dobbs kam von der Seite
    auf mich zugestürzt und schwenkte seine Arme nach unten. Ein
    Gummiknüppel traf mich in der linken Kniekehle, das Bein wurde gefühllos und ich stürzte zu Boden, während meine Zähne knirsch-ten und ich weiter Whisky ausspuckte. Cooney nahm seine Hand
    voll mit Blut aus seinem Gesicht.
    »Jesus«, stieß er mit einer fetten, ekelhaften Stimme hervor.
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    »Das ist ja Blut, mein Blut.« Er stieß einen wilden Schrei aus und
    zielte mit seinem Fuß auf mein Gesicht.
    Ich rollte mich weit genug weg zur Seite, daß er mich nur an

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