Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
der
    Schulter erwischte. Es war auch dort noch schlimm genug.
    Dobbs fuhr dazwischen und sagte: »Das reicht, Charlie. Es ist bes‐
    ser, wenn wir nicht alles kaputtmachen.«
    Cooney schlurfte drei Schritte zurück, setzte sich auf das Trittbrett
    des Polizeiautos und hielt sich das Gesicht. Er durchwühlte seine Taschen nach einem Taschentuch und drückte es vorsichtig gegen
    seine Nase.
    »Überlaß ihn mir für eine Minute«, sagte er durch das Taschentuch. »Nur eine Minute, Kumpel. Nur eine einzige Minute.«
    Dobbs sagte: »Halt die Luft an. Es reicht. So wie’s war, sollte es laufen.« Er schlug mit dem Gummiknüppel langsam seitlich gegen
    sein Bein. Cooney stand vom Trittbrett auf und stolperte vorwärts.
    Dobbs drückte ihm die Hand gegen die Brust und stieß ihn leicht weg. Cooney versuchte, die Hand wegzuschlagen.
    »Ich will Blut sehen«, krächzte er. »Ich will mehr Blut sehen.«
    Dobbs sagte scharf: »Nichts gibt’s mehr. Halt jetzt die Luft an. Wir
    haben, was wir brauchen.«
    Cooney drehte sich um und bewegte sich schwerfällig zur anderen
    Seite des Polizeiautos. Er lehnte sich dagegen und murmelte etwas in sein Taschentuch. Dobbs sagte zu mir:
    »Komm auf die Füße, mein Herzchen.«
    Ich stand auf und rieb mir die Kniekehle. Der Nerv im Bein hüpfte
    herum wie ein wütender Affe.
    »Steigen Sie ein«, sagte Dobbs. »In unser Auto.«
    Ich ging hinüber und kletterte in den Polizeiwagen.
    Dobbs sagte: »Du fährst die andere Karre, Charlie.«
    »Ich werde ihm jedes einzelne gottverdammte Schutzblech abrei‐
    ßen«, röhrte Cooney.
    175
    Dobbs hob die Whiskyflasche auf, warf sie über den Zaun und
    stieg neben mir ins Auto. Er drückte den Starter.
    »Das wird ein teurer Spaß für Sie«, sagte er. »Es war nicht nötig, ihn aus den Latschen zu kippen.«
    Ich sagte: »Warum eigentlich nicht?«
    »Weil er ein netter Kerl ist«, sagte Dobbs. »Wenn auch ’n wenig laut.«
    »Und nicht komisch«, sagte ich. »Überhaupt nicht komisch.«
    »Erzählen Sie ihm das bloß nicht«, sagte Dobbs. »Es würde ihn kränken.«
    Cooney wuchtete sich in den Chrysler, startete und würgte die
    Gänge rein, als wollte er den Knüppel rausreißen. Dobbs drehte den
    Polizeiwagen sauber herum und fuhr nach Norden, wieder an der
    Ziegelei vorbei.
    »Unser neues Gefängnis wird Ihnen gefallen«, sagte er.
    »Und wie soll die Anklage lauten?«
    Er dachte einen Augenblick nach, während er den Wagen sanft
    mit einer Hand steuerte und in den Rückspiegel blickte, um zu sehen, daß Cooney uns folgte.
    »Geschwindigkeitsüberschreitung«, sagte er. »Widerstand bei der
    Verhaftung. Und A.A.S. A.A.S. ist Polizeislang für Alkohol am Steu‐
    er.«
    »Wie war’s mit In den Bauch geschlagen, Gegen die Schulter ge-hackt, Gezwungen worden, Alkohol zu trinken unter der Andro‐
    hung von Körperverletzung, Mit einem Revolver bedroht und mit
    einem Gummiknüppel geschlagen worden und dabei unbewaffnet.
    Ließe sich damit etwas anfangen?«
    »Oh, vergessen Sie’s«, sagte er traurig. »Meinen Sie denn vielleicht, daß mir so was besonders Spaß macht?«
    »Ich dachte, die Stadt sei sauber gemacht worden«, sagte ich. »Ich
    dachte, sie hätten sie soweit in Schuß, daß ein friedlicher Bürger 176
    abends auf den Straßen rumlaufen kann, ohne ’ne kugelsichere We‐
    ste tragen zu müssen.«
    »Ja, sie haben sie ein bißchen sauber gemacht«, sagte er. »Aber sie
    soll auch nicht zu sauber sein. Denn dabei könnte ihr mancher schmutzige Dollar entgehen.«
    »So sollten Sie besser nicht reden«, sagte ich. »Sie könnten sonst Ihren Mitgliedsausweis bei der Polizeigewerkschaft verlieren.«
    Er lachte. »Ach, soll sie doch der Teufel holen«, sagte er. »In zwei
    Wochen bin ich bei der Army.«
    Für ihn war die Angelegenheit vorbei. Sie bedeutete nichts für ihn.
    Es war für ihn ein ganz normaler Vorfall. Er war nicht einmal verbit‐
    tert darüber.
    Die Zelle war fast brandneu. Das Schlachtschiffgrau an den Stahl‐
    wänden und der Tür hatte noch den frischen Glanz des Neuen, der
    nur an zwei oder drei Stellen von angespucktem Tabaksaft gestört war. Das Oberlicht war in die Decke eingelassen, eine schwere
    Milchglasscheibe. Zwei Pritschen standen an einer Zellenwand
    übereinander, auf der oberen Pritsche schnarchte ein Mann; er hatte
    sich fest in eine dunkelgraue Wolldecke eingewickelt. Weil er schon
    so früh schlief und weder nach Whisky noch Gin roch und weil er sich die obere Koje ausgesucht hatte, wo er weit vom

Weitere Kostenlose Bücher