Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
Shorty.«
    »Mir gefällt das überhaupt nicht, Lieutenant, ehrlich nicht.«
    »Kopf hoch, Kleiner. Vielleicht kommst du wieder zurück zur
    Mordkommission.«
    »Lieber trage ich weiter meine Uniform und hab weiter was zum
    Beißen«, sagte Shorty. Sein Mut verflüchtigte sich rasch.
    Degarmo fuhr den Wagen zehn Blocks lang schnell und wurde
    dann ein wenig langsamer. Shorty sagte unsicher:
    »Ich nehme an, daß Sie wissen, was Sie tun, Lieutenant, aber das ist nicht der Weg zum Rathaus.«
    »Richtig«, sagte Degarmo. »Und ist’s auch noch nie gewesen.«
    Er drosselte den Wagen, daß er nur noch kroch, und bog dann in
    eine Vorortstraße mit kleinen, gleich aussehenden Häusern, die hin‐
    ter kleinen, gleich aussehenden Rasenflächen hockten. Er bremste den Wagen behutsam, fuhr über den Bordstein hinweg und hielt
    etwa auf der Mitte eines Blocks. Er legte einen Arm auf die Rück-lehne, drehte seinen Kopf zurück zu Shorty.
    »Glaubst du, daß der Kerl sie getötet hat, Shorty?«
    »Ich höre«, sagte Shorty mit gepreßter Stimme.
    »Hast du ’ne Taschenlampe?«
    »Nein.«
    223
    Ich sagte: »Es steckt eine in der Seitentasche auf der linken Seite.«
    Shorty fummelte herum, man hörte Metall klicken, und dann sah
    man den weißen Strahl der Taschenlampe. Degarmo sagte:
    »Dann schau dir mal den Hinterkopf von dem Kerl an.«
    Der Lichtstrahl bewegte sich und blieb dann stehen. Ich hörte den
    Atem des kleinen Mannes hinter mir und spürte ihn im Nacken.
    Etwas streckte sich vor und betastete meinen Hinterkopf. Ich knurr‐
    te. Das Licht ging aus, und die Dunkelheit der Straße drang plötzlich wieder herein.
    Shorty sagte: »Ich glaube, er hat wahrscheinlich eins über die Rübe
    bekommen, Lieutenant. Ich versteh das nicht.«
    »Genau wie das Mädchen«, sagte Degarmo. »Es war kaum zu se‐
    hen, aber man konnte es bemerken. Man hatte sie niedergeschlagen,
    und vielleicht hatte man ihr die Kleider vom Leib gerissen und sie zerkratzt, bevor man sie ermordete. Deshalb bluteten die Kratzer.
    Dann ist sie erwürgt worden. Alles ging ohne Lärm. Warum? Und es gibt kein Telefon in dem Apartment. Wer hat’s denn gemeldet, Shorty?«
    »Wie, zum Teufel, soll ich das wissen? Ein Kerl hat angerufen und
    gesagt, daß ’ne Frau auf Nummer 618 im Granada‐Apartmenthaus
    an der achten Straße ermordet worden ist. Reed hat gerade noch nach’m Fotografen gesucht, als Sie hereingekommen sind. Der
    Wachhabende hat gesagt, daß es ein Kerl mit tiefer Stimme gewesen
    sei, wahrscheinlich hat er sie verstellt, ’nen Namen hat er überhaupt
    nicht genannt.«
    »Also gut«, sagte Degarmo. »Wenn du das Mädchen umgebracht
    hättest, wie wärst denn du dann raus?«
    »Ich wäre einfach rausspaziert«, sagte Shorty. »Warum nicht? Heh,
    Sie«, er fuhr mich plötzlich an. »Warum haben Sie’s denn nicht so gemacht?«
    Ich antwortete ihm nicht. Degarmo sagte tonlos: »Du würdest
    doch wahrscheinlich kaum aus dem Badezimmerfenster klettern,
    224
    das sechs Stockwerke hoch liegt, dann mit lautem Geklirr durch ein
    andres Badezimmerfenster in eine fremde Wohnung einsteigen, wo
    wahrscheinlich Leute schlafen? Das würdest du doch nicht machen?
    Du würdest doch auch nicht so tun, als wärst du der Kerl, der nebenan lebt, und du würdest doch nicht ’n Haufen kostbarer Zeit einfach wegschmeißen, indem du die Polizei rufst, oder? Zum Teufel, das Mädchen hat da vielleicht schon ’ne Woche gelegen. Du würdest doch deine Chancen nicht so versieben, indem du alles so anfängst, Shorty?«
    »Ich glaub nicht, daß ich’s tun würde«, sagte Shorty vorsichtig.
    »Ich glaub nicht, daß ich überhaupt anrufen würde. Aber diese Se‐
    xualspinner machen komische Sachen, Lieutenant. Sie sind nicht
    normal wie wir. Und außerdem hat der Kerl hier vielleicht noch einen bei sich gehabt. Als Hilfe. Und der andre hat ’n vielleicht zusammengeschlagen, damit er allein in der Scheiße steckt.«
    »Erzähl mir bloß nicht, daß du dir diesen Quatsch ganz allein aus‐
    gedacht hast«, brummte Degarmo. »Hier sitzen wir also, und der Kerl, der weiß, wie’s war, sitzt hier mit uns und sagt keinen Ton.« Er
    drehte seinen großen Kopf rum und starrte mich an. »Was hatten Sie
    dort zu suchen?«
    »Hab ich vergessen«, sagte ich. »Der Schlag auf den Kopf scheint
    mein Gedächtnis erwischt zu haben.«
    »Wir werden Ihrem Gedächtnis schon auf die Sprünge helfen«,
    sagte Degarmo. »Wir fahren Sie ein paar Meilen den Hügel hinauf,
    wo Sie’s ruhig

Weitere Kostenlose Bücher