Die Tote im See
haben und die Sterne betrachten können und sich erinnern werden. Sie werden sich an alles erinnern.«
Shorty sagte: »So geht’s nicht, Lieutenant. Warum fahren wir nicht
einfach zurück zum Rathaus und machen alles genau nach Dienst‐
vorschrift.«
»Der Teufel soll die Dienstvorschrift holen«, sagte Degarmo. »Die‐
sen Kerl da hab ich ins Herz geschlossen. Ich möchte eine lange herzliche Aussprache mit ihm haben. Man muß ihm nur’n bißchen
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gut zureden, Shorty. Er ist nur’n bißchen schüchtern.«
»Da mach ich nicht mit«, sagte Shorty.
»Was möchtest du denn gern, Shorty?«
»Ich möchte zurück zum Rathaus.«
»Niemand hält dich, Kleiner. Willst du zu Fuß laufen?«
Shorty war einen Augenblick ruhig. »Ist in Ordnung«, sagte er
schließlich ganz ruhig, »ich will zu Fuß laufen.« Er öffnete die Wa‐
gentür und stieg hinaus auf den Bordstein. »Und ich schätze, Sie wissen, daß ich das alles melden muß, Lieutenant?«
»Richtig«, sagte Degarmo. »Und erzähl Webber, daß ich nach ihm
gefragt habe. Und sag ihm, daß er ’s nächste Mal, wenn er ’n paar Hamburger kauft, für mich ’n Gedeck mit auflegen soll.«
»Ich kapiere nicht, was Sie sagen«, sagte der kleine Polizist. Er schlug die Autotür zu. Degarmo schob den Gang rein, jagte den Motor hoch und war schon nach eineinhalb Blocks auf vierzig. Im dritten Block fuhr er fünfzig. Auf dem Boulevard fuhr er langsamer,
bog in Richtung Osten und hielt sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit. Ein paar späte Autos fuhren in beide Richtungen
vorbei, aber die meiste Zeit herrschte auf der Welt die kalte Stille des frühen Morgens.
Nach einer kleinen Weile passierten wir die Stadtgrenze, und De‐
garmo fing an zu sprechen. »Lassen Sie uns Ihre Geschichte hören«,
sagte er ruhig. »Vielleicht finden wir ja ’ne Lösung.«
Das Auto fuhr über eine lange Steigung und dann hinunter, bis sich der Boulevard durch die parkähnliche Gegend um das Alters-heim schlängelte. Die hohen dreiarmigen Straßenlaternen bildeten
Lichthöfe im Küstennebel, den es während der Nacht landeinwärts
getrieben hatte. Ich begann zu sprechen.
»Kingsley ist heute nacht zu mir in mein Apartment gekommen
und hat gesagt, daß ihn seine Frau angerufen habe. Sie habe schnell
Geld haben wollen. Sein Plan war, daß ich ihr das Geld bringen und
dabei herausfinden sollte, wie weit sie in der Sache drinsteckt. Mein
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Plan war ein bißchen anders. Man hatte ihr gesagt, wie sie mich er‐
kennen würde, und ich sollte sie in der Peacock Lounge zwischen Eighth und Arguello fünfzehn Minuten nach der vollen Stunde treffen. Nach jeder vollen Stunde.«
Degarmo sagte langsam: »Sie mußte verduften, und das heißt, daß
sie aus ’nem bestimmten Grund verduften mußte. Wegen Mord
zum Beispiel.« Er hob leicht die Hände und ließ sie dann wieder aufs Lenkrad zurückfallen.
»Ich bin also dorthin gegangen. Stunden, nachdem sie angerufen
hatte. Man hatte mir gesagt, daß sie ihr Haar braun gefärbt hätte. Sie
ist an mir vorbei, als sie die Bar verlassen hat, aber ich hab sie nicht erkannt. Ich hatte sie ja nie wirklich gesehen. Ich kannte sie nur vom
Foto, das wie’n guter Schnappschuß aussah und vielleicht auch einer war und ihr doch nicht besonders ähnlich war. Sie schickte einen
Mexikanerjungen rein, um mich rauszuholen. Sie wollte nur das
Geld und keine große Diskussion. Ich wollte ihre Geschichte.
Schließlich hat sie eingesehen, daß sie mir ein wenig erzählen muß‐
te, und deshalb hat sie gesagt, daß sie im Granada wohnt. Ich sollte
zehn Minuten warten, bevor ich ihr folgte.«
Degarmo sagte: »Damit ihr Zeit für ’n Trick blieb.«
»Es war ’n Trick dabei, aber ich bin nicht sicher, ob sie mit dran gedreht hat. Sie wollte mich nicht bei sich oben haben und sich auch
nicht mit mir unterhalten. Aber sie mußte eigentlich wissen, daß ich
auf einigen Erklärungen bestehen würde, bevor sie das Geld von mir bekäme, so daß sie mir ihren Widerstand vielleicht nur vorspiel-te, um mich in dem Gefühl zu lassen, ich sei Herr der Lage. Und spielen konnte sie. Das wußte ich schon. Jedenfalls bin ich hin, und
wir redeten. Sie sagte nichts, worauf man sich hätte einen Reim ma‐
chen können, bis wir über den Mord an Lavery sprachen. Jetzt reim‐
te sich, was sie sagte, nur zu gut zusammen. Ich hab ihr gesagt, daß
ich sie der Polizei übergeben wolle.«
Westwood Village, dunkel bis auf eine durchgehend
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