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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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geöffnete
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    Tankstelle und ein paar Fenster in ein paar Apartmenthäusern, glitt
    nördlich an uns vorüber.
    »Darauf zog sie den Revolver«, sagte ich. »Ich glaube schon, daß sie’s ernst gemeint hat, aber sie kam mir zu nah, so daß ich ihren Kopf zu fassen kriegte. Während wir miteinander gerungen haben,
    ist jemand, der hinter dem grünen Vorhang gestanden haben muß,
    herausgekommen und hat mich zu Boden geschlagen. Als ich wie‐
    der zu mir kam, war der Mord schon passiert.«
    Degarmo sagte langsam: »Haben Sie denn überhaupt nicht sehen
    können, wer’s war?«
    »Nein. Aber ich ahnte mehr, als daß ich’s wirklich gesehen hätte,
    daß es ein Mann war, und zwar ein großer. Und das hab ich auf dem Sofa mitten im Kleidergewirr gefunden.« Ich zog Kingsleys
    grüngelben Schal aus meiner Tasche und legte ihn auf seine Knie.
    »Ich hab gesehen, daß Kingsley den heute abend getragen hat«, sag‐
    te ich.
    Degarmo sah zum Schal hinunter. Er hob ihn unter das Licht des
    Armaturenbretts. »Den vergißt man bestimmt nicht so schnell«, sag‐
    te er. »Der haut einen erst um und springt einem dann noch in die
    Augen. Kingsley also? Der Teufel soll mich holen. Und was ist dann
    passiert?«
    »Jemand hat an die Tür geklopft. Ich war immer noch ganz bene‐
    belt, nicht ganz da und ein bißchen in Panik. Jemand hatte mich mit
    Gin übergossen und mir Schuhe und Jacke ausgezogen, und wahr‐
    scheinlich hab ich wirklich wie jemand ausgesehen, der ’ner Frau die Kleider vom Leibe reißt und sie dann erwürgt. Deshalb bin ich
    durchs Badezimmerfenster und hab mich, so gut es ging, sauber
    gemacht. Den Rest kennen Sie.«
    Degarmo sagte: »Und warum haben Sie sich nicht in der Nach‐
    barwohnung schlafend gestellt?«
    »Wozu hätte das gut sein sollen? Ich nehme an, daß jeder schlichte
    Polizist in Bay City meinen Fluchtweg im Handumdrehen rausge‐
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    funden hätte. Wenn ich überhaupt ’ne Chance hatte, dann die, raus‐
    zugehen, bevor mein Weg entdeckt wurde. Wenn ich niemand ge‐
    troffen hätte, der mich kannte, hätte ich ’ne gute Chance gehabt, aus
    dem Haus rauszukommen.«
    »Das glaub ich nicht«, sagte Degarmo. »Aber verdorben haben Sie
    sich dadurch, wie ich meine, auch nichts. Was ist in Ihren Augen das
    Motiv bei der Sache?«
    »Warum Kingsley sie getötet hat – falls er’s war? Das ist nicht schwer zu erraten. Sie hat ihn betrogen, hat ihm ’nen Haufen Ärger
    bereitet und damit seine Stellung gefährdet. Und jetzt hatte sie auch
    noch jemand umgebracht. Außerdem hatte sie Geld, und Kingsley
    wollte ’ne andere Frau heiraten. Vielleicht hat er auch gefürchtet, daß sie mit dem Geld, das ihr zur Verfügung stand, die Anklage abgeschmettert und ihn am Ende noch ausgelacht hätte. Und selbst
    wenn sie nicht durch die Maschen geschlüpft wäre, hätte er von ihrem Geld auch nichts mehr gesehen. Er hätte sich von ihr scheiden
    lassen müssen, um sie loszuwerden. Das ist schon ein Haufen Moti‐
    ve für einen Mord. Außerdem hat er wohl an die Chance gedacht, mich zum Sündenbock machen zu können. Wenn das auch auf die
    Dauer nicht geklappt hätte, so hätte er damit doch genügend Ver-wirrung angerichtet und wenigstens Zeit gewonnen. Wenn die
    Mörder nicht glaubten, daß sie ihre Morde loswerden können, gab’s
    wahrscheinlich nur sehr wenige.«
    Degarmo sagte: »Genausogut kann’s jemand ganz anderer gewe‐
    sen sein. Jemand, der noch gar nicht auf der Bildfläche erschienen ist. Sogar wenn er bei ihr gewesen sein sollte, war’s vielleicht noch
    jemand andrer. Und jemand andrer hat vielleicht auch Lavery ermordet.«
    »Wenn Ihnen das lieber ist.«
    Er wandte mir seinen Kopf zu: »Mir ist es weder so noch so lieber.
    Aber wenn ich diesen Fall knacke, komme ich mit ’nem Verweis
    vom Polizeipräsidium davon. Wenn nicht, werd ich aus der Stadt 229
    hinausgekickt. Sie haben gesagt, daß ich blöd bin. Okay, ich bin wahrscheinlich blöd. Wo wohnt Kingsley? Von einer Sache verstehe
    ich jedenfalls was. Wie man Leute zum Reden bringt.«
    »Im Carson Drive neunhundertfünfundsechzig, Beverly Hills. Un‐
    gefähr fünf Blocks weiter müssen Sie nach Norden abbiegen, in
    Richtung Vorberge. Dann ist es auf der linken Seite, genau unterhalb
    vom Sunset. Ich war zwar noch nie dort, weiß aber, wie die Block‐
    nummern verlaufen.«
    Er drückte mir den grüngelben Schal in die Hand. »Stecken Sie das
    wieder in Ihre Tasche, bis wir’s ihm ins Auge springen lassen wol‐
    len.«
    Es

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