Die Tote im See
Gelegenheit rausfinden, ob sie
tot ist?«
»Junge, Junge«, sagte Shorty. »Ein Sexualmörder. Er hat dem
Mädchen die Kleider vom Leib gerissen und sie mit seinen Händen
erwürgt, Lieutenant. Wie sind Sie da draufgekommen?«
Degarmo antwortete ihm nicht. Er stand nur da, wippte ein wenig
auf seinen Absätzen hin und her, sein Gesicht war ausdruckslos und
hart wie Granit.
»Ja, natürlich, das ist der Mörder«, sagte Shorty plötzlich. »Riechen Sie mal die Luft hier drinnen, Lieutenant. Der Raum ist seit 220
Tagen nicht gelüftet worden. Und schauen Sie sich den Staub auf den Bücherregalen an. Und die Uhr, die auf dem Kaminsims steht.
Er kam durch… Lassen Sie mich eine Minute nachsehen, darf ich, Lieutenant?«
Er stürzte aus dem Raum ins Schlafzimmer. Ich hörte ihn herum‐
stöbern, Degarmo blieb steif stehen.
Shorty kehrte zurück. »Er ist durchs Badezimmer hereingekom‐
men. In der Badewanne liegen Glasscherben. Und irgendwas da
drinnen stinkt grauenvoll nach Gin. Und hier ist ein Hemd. Riecht so, als ob’s in Gin gewaschen worden wäre.«
Er hielt das Hemd hoch. Sein Geruch machte sich rasch be‐
merkbar. Degarmo sah es ausdruckslos an, trat dann an mich heran,
riß meine Jacke auf und sah das Hemd an, das ich anhatte.
»Ich weiß, wie er’s gemacht hat«, sagte Shorty. »Er hat sich ein Hemd von dem Kerl gestohlen, der hier wohnt. Sehen Sie jetzt, wie
er’s gemacht hat, Lieutenant?«
»Ja.« Degarmo drückte seine Hand gegen meine Brust und ließ sie
langsam hinuntersinken. Sie unterhielten sich über mich, als ob ich
ein Stück Holz wäre.
»Filz ihn, Shorty.«
Shorty tanzte um mich herum und tastete mich nach einem Revol‐
ver ab.
»Er ist sauber«, sagte er.
»Laß ihn uns durch den Hintereingang rausschaffen«, sagte De‐
garmo. »Es ist unser Fang, wenn wir’s schaffen, bevor Webber hier
ist. Das Spatzenhirn Reed findet nicht mal ’ne Motte in einem Schuhkarton.«
»Sie sind nicht mal auf den Fall angesetzt«, sagte Shorty zweifelnd.
»Habe ich nicht sogar gehört, daß Sie suspendiert sind oder so was
ähnliches?«
»Wenn ich suspendiert bin«, fragte Degarmo, »was habe ich dann
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schon zu verlieren?«
»Ich kann meine Uniform verlieren«, sagte Shorty.
Degarmo sah ihn fest an. Der kleine Polizist errötete, seine hellen
rötlich gelben Augen blickten ängstlich.
»Okay, Shorty. Gehen Sie also, und melden Sie’s Reed.«
Der kleine Polizist fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Sa‐
gen Sie, was zu tun ist, Lieutenant, und ich bin dabei. Ich brauche ja
nicht zu wissen, daß Sie suspendiert sind.«
»Wir bringen ihn selbst runter. Nur wir beiden«, sagte Degarmo.
»Genau.«
Degarmo stieß mich mit dem Finger gegen das Kinn. »Ein Sexu‐
almörder«, sagte er ruhig, »ich will verdammt sein.« Er lächelte mir
schwach zu, wobei sich nur die Winkel seines großen brutalen
Mundes bewegten.
Wir verließen das Apartment, gingen den Korridor entlang, am
Apartment vorbei. Licht fiel aus der geöffneten Tür. Zwei Männer in
Zivil standen jetzt draußen und rauchten Zigaretten, die sie in der hohlen Hand hielten, als wehte ein Wind durch, den Korridor. Aus
dem Apartment hörte man das Gewirr streitender Stimmen.
Wir gingen um die Ecke des Korridors und kamen zum Lift. De‐
garmo öffnete die Feuertreppe neben dem Liftschacht, und wir gin‐
gen hallende Zementstufen hinunter, Stockwerk um Stockwerk. Im
Erdgeschoß bei der Eingangshalle blieb Degarmo stehen, legte seine
Hand an den Türknopf und lauschte. Er sah über die Schulter zu-rück.
»Haben Sie Ihren Wagen dabei«, fragte er mich.
»In der Kellergarage.«
»Das ist ’ne Idee.«
Wir gingen wieder die Treppe hinunter und kamen in das schlecht
beleuchtete Untergeschoß. Der hagere Neger kam aus seinem klei‐
nen Büro, und ich gab ihm meinen Parkschein. Er blickte verstohlen
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nach der Polizeiuniform von Shorty. Er sagte nichts. Er zeigte auf den Chrysler.
Degarmo setzte sich ans Steuer. Ich stieg neben ihm ein, und Shor‐
ty setzte sich auf den Rücksitz. Wir fuhren die Rampe hinauf und hinaus in die feuchte kühle Nachtluft. Ein großer Wagen mit dop-pelten roten Stopplichtern war einige Blocks vor uns zu sehen, kam
uns entgegen.
Degarmo spuckte aus dem Wagenfenster und riß den Chrysler in
die andere Richtung herum. »Das wird Webber sein«, sagte er.
»Wieder zu spät auf der Beerdigung. Wir sind ihm bestimmt um
mindestens eine Nasenlänge voraus,
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