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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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war ein zweigeschossiges weißes Haus mit einem dunklen
    Dach. Das helle Mondlicht glänzte auf den Mauern wie ein frischer
    Anstrich. Die unteren Vorderfenster hatten schmiedeeiserne Gitter.
    Ein kurzgeschnittener Rasen lief bis zur Eingangstür, die diagonal in
    die Ecke einer vorspringenden Mauer eingelassen war. Alle Fenster,
    die man sehen konnte, waren dunkel.
    Degarmo stieg aus, ging den Rasenweg entlang und schaute in die
    Einfahrt der Garage. Er ging den Fahrweg hinunter und ver‐
    schwand hinter einer Ecke des Hauses. Ich hörte, wie eine Garagen‐
    tür geöffnet wurde, und dann den dumpfen Schlag, mit dem sie
    wieder geschlossen wurde. Er tauchte an der Hausecke wieder auf,
    schickte mir ein Kopfschütteln und ging über den Rasen zur Eingangstür. Er drückte seinen Daumen auf die Klingel und jonglierte
    sich mit der anderen Hand eine Zigarette aus der Tasche in den Mund.
    Er drehte sich von der Tür weg, um sie anzuzünden. Das Auf‐
    flammen des Streichholzes schnitt scharfe, tiefe Linien in sein Gesicht. Nach einer Weile schimmerte auf einmal Licht durch den Tür‐
    ventilator. Das Guckloch wurde aufgeschoben. Ich sah, wie Degar-mo seine Marke hochhielt. Langsam und widerwillig, wie es schien,
    öffnete sich die Tür. Er ging hinein.
    230
    Er blieb fünf Minuten weg. Hinter wechselnden Fenstern ging das
    Licht an, dann wieder aus. Als er wieder aus dem Haus kam und zurück zum Auto ging, erlosch das Licht hinter dem Ventilator.
    Dann war das ganze Haus wieder so dunkel, wie wir es vorgefunden hatten.
    Er stand neben dem Wagen, rauchte und blickte die Kurve der
    Straße hinunter.
    »Nur ’n kleiner Wagen in der Garage«, sagte er. »Die Köchin sagt,
    daß es ihrer ist. Keine Spur von Kingsley. Die da drin sagen, daß sie
    ihn seit heute morgen nicht gesehen hätten. Ich habe in alle Zimmer
    geschaut. Ich denke, daß sie die Wahrheit sagen. Webber und der Mann für die Fingerabdrücke waren am späten Nachmittag da, man
    kann das Staubpulver noch jetzt im Schlafzimmer sehen. Webber
    wollte Fingerabdrücke haben, um sie mit denen zu vergleichen, die
    wir in Laverys Haus gefunden haben. Er hat mir nicht erzählt, was
    dabei herausgekommen ist. Wo kann er denn stecken – ich meine Kingsley?«
    »Überall«, sagte ich. »Unterwegs, in einem Hotel, in einer Sauna, um seine Nerven zu beruhigen. Aber vielleicht sollten wir’s zuerst mal bei seiner Freundin probieren. Sie heißt Fromsett und wohnt im
    Bryson Tower am Sunset Place. Das ist weiter stadteinwärts, in der
    Nähe von Bullock’s Wilshire.«
    »Sie macht was?« fragte Degarmo, während er sich wieder ans
    Steuer setzte.
    »Sie hält sein Büro auf Trab und außerhalb des Büros sein Händ‐
    chen. Aber sie ist trotzdem nicht bloß ’ne Büromieze. Sie hat Köpf‐
    chen, und sie hat Stil.«
    »Sie wird beides gut brauchen können«, sagte Degarmo. Er fuhr
    Richtung Wilshire, und wir bogen wieder nach Osten ab.
    Nach fünfundzwanzig Minuten erreichten wir den Bryson Tower,
    einen weißen Stuckpalast mit üppig verzierten Laternen im Vorhof
    und hohen Dattelpalmen. Der Eingang befand sich innerhalb eines 231
    L; man ging Marmorstufen hinauf und kam durch einen maurischen
    Bogengang in eine Eingangshalle, die zu groß und auf einen Teppich, der zu blau war. Ali Babas blaue Ölkrüge waren ringsherum aufgestellt, alle groß genug, um Tiger drin zu halten. Es gab auch einen Empfangstisch nebst einem Nachtportier, der einen dieser
    Schnurrbärte trug, die bequem unter einen Fingernagel passen.
    Degarmo ging am Empfangstisch vorbei auf einen offenen Lift zu,
    neben dem ein müder alter Mann auf einem Stuhl saß und auf Gäste
    wartete. Der Portier kläffte Degarmo von hinten wie ein Terrier an.
    »Einen Augenblick, bitte. Wen bitte wünschen Sie zu sprechen?«
    Degarmo drehte sich auf den Absätzen um und sah mich fragend
    an:
    »Hat er ›Wen bitte wünschen Sie‹ gesagt?«
    »Ja, aber schlagen Sie ihn deswegen nicht«, sagte ich. »Solche Wör‐
    ter gibt’s wirklich.«
    Degarmo leckte sich die Lippen. »Ich hab doch immer gewußt, daß
    es was in der Art geben muß. Ich hab mich schon gewundert, wo sie’s versteckt gehalten haben. Hör zu, Freund«, sagte er zu dem Portier, »wir wollen rauf nach sieben‐sechzehn. Was dagegen?«
    »Aber gewiß habe ich etwas dagegen«, sagte der Angestellte kühl.
    »Wir pflegen keine Gäste mehr um«, er hob seinen Arm und dreh‐
    te ihn affektiert, um auf die schmale längliche Uhr auf der

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