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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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dachte: Einige Meter von der Eingangstür entfernt hing eine Lampe, wie man sie von Baustellen kannte; eine Glühbirne hinter einem Schutzglas, das mit einer soliden Metallvergitterung eingefasst war.
    Es war seltsam; die Lampe war zunächst so selbstverständlich dagewesen, dass Zbigniew sie nicht bewusst wahrgenommen hatte. Sie gehörte in diesen Raum. Kurz testete er, ob man die Lichtquelle abnehmen könnte, um mit ihr den dunklen Teil des Stollens zu erkunden. Doch die Lampe war fest an der Wand angebracht.
    Zbigniew wandte den Blick wieder ab, wartete kurz, damit sich seine Augen wieder an die Dunkelheit vor ihm gewöhnten. Er ging ein paar Schritte in den Stollen hinein.
    Ihm fiel auf, dass die Decke nicht aus Ziegelgewölbe war, wie man hätte vermuten können. Es war eine Betondecke. Fast erinnerte sie Zbigniew an den Tiefkeller bei der Kölner Gestapo. War dieser Stollen im Krieg als Luftschutzraum genutzt worden? Von den Niederländern, von den Deutschen?
    Einige Schritte nach vorn. Der Stollen schien in die Unendlichkeit hineinzureichen. Zbigniew sah kurz zurück, die Lampe war nun mindestens fünfzehn Meter entfernt. Es wurde immer dunkler; er tastete bei jedem Schritt zunächst mit dem Fuß den Untergrund vor sich ab, verlagerte erst dann sein Gewicht nach vorn. Aus Angst, dass irgendwo ein Loch im Boden wäre, das er nicht sehen konnte.
    Er ging vorsichtig noch etwa zwanzig Meter weiter vorwärts, dann stoppte er. Alles um ihn herum war schwarz.
    Er tastete nach den Wänden rechts und links, der Stollen war weder breiter noch schmaler geworden.
    Es schien auch keinen Luftzug zu geben.
    Es hatte keinen Sinn, der Stollen führte ins Nichts.
    Zbigniew fiel ein alter Trick ein. Er leckte seinen Zeigefinger von allen Seiten feucht und hielt ihn hoch. Wenn es in diesem Stollen einen unmerklichen Luftzug gab, dann würde der Finger an einer Seite kälter werden.
    Nichts wurde kälter.
    Es gab keinen zweiten Ausgang aus dem Stollen. Natürlich nicht. Und Lena würde sich auch nicht hier befinden.
    Dennoch war es irgendwie unbefriedigend, nicht das andere Ende seines Gefängnisses erkunden zu können.
    Zbigniew ging wieder zurück; der Rückweg zum Licht ging wesentlich schneller als der Hinweg.
    Er durchsuchte alle seine Taschen an der Kleidung noch einmal. Sinnlos, sie hatten ihm nichts Brauchbares gelassen.
    Die Steine.
    Er führte seine Finger in die Ritzen zwischen den Ziegelsteinen, die die soliden Wände bildeten. Versuchte, einen der Steine zu greifen. Er kratzte am harten Stein. Er konnte ihn ergreifen, er hatte eine Angriffsstelle.
    Aber der Stein bewegte sich nicht.
    Zbigniew versuchte es, bis ihm die Fingernägel wehtaten.
    So schnell würde er nicht aufgeben.
    Er versuchte es mit einem anderen Stein an einer anderen Stelle. An verschiedenen Stellen.
    Seine Finger schmerzten immer mehr. Im Schein der Lampe sah er, dass sich unter einem seiner Fingernägel bereits ein Blutstropfen gebildet hatte.
    Er leckte seinen Finger ab, erneut. Der Geschmack von Blut lag auf seiner Zunge.
    Es war aussichtslos. Die Niederländer hatten ihren Luftschutzraum, sofern er einer war, auf solideste Weise gebaut.
    Falls es die Niederländer gewesen waren.
    Zbigniew setzte sich auf den kalten, glatten Betonfußboden, um sich kurz auszuruhen.
    Er hörte einen Spruch seiner Mutter, den sie ihm als Kind oft ins Ohr geflüstert hatte. Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Immer, wenn er sich schlecht gefühlt hatte, war es ihr Rezept zur Heilung gewesen.
    Für sie selbst war kein Lichtlein hergekommen, als sie viel zu früh gestorben war.
    Es waren alles verdammte, unsinnige Sprüche, die im realen Leben nichts taugten.
    Das Lichtlein.
    Zbigniew sprang auf. Er schaute sich die Lampe an, die ebenso fest wie jeder Ziegelstein hier in diesem verfluchten Stollen eingemauert war.
    Aber das Kabel.
    Ein schwarzes Stromkabel führte fast unsichtbar an der Wand entlang, festgemacht mit kleinen Krampen. Es führte von der Höhe der Lampe, ein wenig oberhalb von Zbigniews Kopf, zunächst gerade nach unten, dann einige Meter am Fußboden entlang, um die Ecke am Stollenanfang bis zum Türrahmen. Hier wurde das Kabel wieder nach oben geführt, vollständig um den Türrahmen herum, bis es am Fußboden auf der anderen Seite des Rahmens weiterführte. Zbigniew kniete sich hinunter; etwa fünfzig Zentimeter neben dem Türrahmen verschwand das Kabel nach hinten durch die Mauer. Vermutlich hatte jemand ein

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