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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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lautes Brüllen, aber Zbigniew versteht es wie durch einen Filter. Ein besorgtes Brüllen, dessen ist er sich sicher.
    Und dann setzt Mareikes Geschrei ein. Es ist so laut, dass es ihn bis ins Mark erschüttert. Zbigniew hat ihr in den Zeh geschossen, es kann nicht so schlimm sein, oder etwa doch, die Spitze ihres halbzerfetzten Turnschuhs färbt sich langsam rot. Mareike schreit und schreit.
    »Wo ist Lena«, sagt Zbigniew ein weiteres Mal. Diesmal hört er sich selbst kaum.
    Mareike zeigt mit ihrem Finger in Richtung Ausgang, schreit aber weiter.
    Das Stöhnen.
    Es muss dort irgendwo sein.
    Zbigniew leuchtet noch einmal in den Stollen, die Waffe weiter auf die Frau gerichtet.
    Dort oben rechts, oberhalb der Kopflinie, ist ein schwarzes kleines Loch. Ein Lüftungsloch für die Stollen?
    Zbigniew leuchtet nach links. Dort ist nichts zu sehen.
    Mareike hat sich ein wenig zum Ausgang gerobbt, mit ihren Händen zur Tür gezogen.
    Zbigniew hechtet zu ihr, zieht sie zurück. Er stößt die Tür auf.
    Eine Kugel pfeift ihm entgegen. Es ist nicht so laut wie bei der eigenen Kugel, aber Zbigniew spürt den Luftstrom.
    Im Gang hinter dem Stollen, dort, hinter irgendeiner Ecke, steht Tom. Oder Delia.
    Oder jemand anderes.
    Zbigniew wirft die Tür wieder halb zu.
    Er ergreift Mareike, zieht sie hoch, nimmt sie vor seinen Körper als menschliches Schutzschild. Sie schreit, der Zeh, die Angst.
    Er reißt die Tür auf, die Waffe immer noch in der Hand haltend.
    Tom wird sie nicht erschießen, nein, Zbigniew ist sich sicher.
    Er hat besorgt ihren Namen gerufen. Sie ist seine Geliebte oder sogar seine Frau.
    Zbigniew sieht, wie Toms Kopf und die Waffe blitzschnell hinter einer Ecke im Gang auftauchen, sich dann wieder zurückziehen.
    Tom hat es gesehen. Er hat gesehen, dass Mareike vor seinem Körper ist. Er hat gehört, dass er geschossen hat.
    Dass sie geschrien hat.
    Das Dröhnen in Zbigniews Ohren lässt kaum nach.
    Er hört nichts, kann sich nicht orientieren.
    Geradeaus ein Gang.
    Nach links ein Gang.
    Irgendwo links muss Lena sein, aus dieser Richtung kam das Geräusch. Und irgendwo hinter Tom ist der Ausgang.
    »Hol Lena raus, sonst töte ich sie«, schreit Zbigniew. Im gleichen Moment schiebt er sich und Mareike ein Stück weit nach links in den anderen Gang hinein, hinter die nächste Ecke. Toms Gesicht hat er nicht gesehen während der Bewegung; wenn er Glück hat, glaubt Tom ihn immer noch im anderen Gang zu dem Stollen, in dem er gefangen war.
    Mareike stöhnt einmal auf, Zbigniew deutet ihr, ruhig zu sein. Er ist sich sicher, dass sie nichts tun wird, von dem sie glaubt, dass es ihr Leben gefährden könnte.
    Hinter sich entdeckt er eine Tür, die nicht wesentlich anders aussieht als sein eigener Stolleneingang. Ein Riegel vor der Tür. Gibt es einen Schlüssel?
    Wenn es einen Schlüssel gibt, hat Mareike ihn.
    Ein seltsamer Gedanke fährt durch seinen Kopf: Hoffentlich ist Lena nicht auf die Idee gekommen, ein Stromkabel an die Türklinke zu legen.
    Nein, natürlich nicht, wer kommt auf solche Ideen.
    Er zieht den Riegel der Tür zur Seite. Durchsucht Mareike nach einem Schlüsselbund, sie hat einen in ihrer linken Hosentasche, lässt ihn sich willenlos abnehmen. Ein Blick um die Ecke zum Gang, in dem sich Tom befand. Es ist nichts zu sehen.
    Plötzlich begreift er, dass er einen Fehler gemacht hat.
    Er muss Tom ausschalten.
    Er muss Tom ausschalten, bevor er mit Lena zurückkehrt. Mit Lena, die er vielleicht tragen muss, wird er keine Chance haben. Er muss Tom und auch Delia außer Gefecht setzen, sonst wird er aus dem Stollensystem niemals lebendig herauskommen.
    Lena befreien.
    Tom und Delia.
    Oder wird Lena von alleine laufen können? Wird er ein weiteres Mal Mareike als Schutzschild vor sich herschieben können?
    Handeln.
    Er muss handeln, handeln.
    Er reißt Mareike den Schuh vom ihrem noch heilen Fuß herunter, ihren grauen Sportschuh, der andere ist an der Spitze inzwischen stark mit Blut getränkt, Mareike blickt ihn mit verängstigten Augen an, ein Schuss, was ein Schuss alles bewirken kann. Er schleudert den Schuh mit voller Wucht vor die Ecke, die Ecke, hinter der Tom steht. Nicht in den Gang hinein, sondern vor die Wand.
    Das Knallen des Schuhs, erst gegen die Wand, dann auf den Boden.
    Eine halbe Sekunde später, Toms Kopf, der um die Ecke schaut. Zuerst zum Schuh, irritiert, eine Sekunde lang begreifend, zu wem dieser Schuh gehört, dann der Blick hoch in den Gang zum Stollen, in dem sich Zbigniew

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