Die tote Schwester - Kriminalroman
Zeit hast, dann komm heute Nachmittag mal vorbei«, sagte Zeynel wie beiläufig.
Zbigniew ließ sich nicht lange bitten.
Er stieg in die S-Bahn nach Kalk, ging den kurzen Fußweg am gigantischen Einkaufszentrum vorbei. Dann meldete er sich beim Pförtner im riesigen Foyer des Polizeipräsidiums an. Hier, vor der Tür, war er Lenas Vater begegnet.
Damals, vor einer Unendlichkeit.
Zeynel kam herunter, sie begrüßten sich fast herzlich. Gemeinsam gingen sie einen längeren Gang ins Gedärm des Gebäudes hinein.
»Weiß man eigentlich inzwischen, wie das Haus in Valkenburg in Besitz der Streithoffs kam?«, fragte Zbigniew ihn, während sie eine Treppe nach unten gingen.
»Tom Streithoff hat es erst Ende der achtziger Jahre gekauft. Paul Streithoff ist dort sicher nie gewesen, aber was ganz interessant ist – fast ein wenig pervers: Die Holländer haben im Zweiten Weltkrieg während der deutschen Besatzung die Stollen benutzt, um Kunstgegenstände vor den Nazis zu verstecken.«
»Im Ernst?«, sagte Zbigniew überrascht.
»Ja. Hat Edwin irgendwo herausgefunden.«
Sie waren unten angelangt.
Hier befanden sich die Zellen für den vorübergehenden Gewahrsam. Nacheinander passierten die Beamten eine Sicherheitsschleuse, dann waren sie in einem zentralen Viereck aus Gängen, von denen die einzelnen Zellen abgingen.
Einen Moment lang erinnerte sich Zbigniew an die Zellen unten im EL - DE -Haus. Es war nicht vergleichbar, aber dennoch weckte der Anblick irgendwelche Assoziationen.
Es war immer die Frage, was man mit den Zellen machte.
Sie gingen den Gang nach links, dann nach rechts. Vor einigen der Zellen standen Schuhe, woran man auf den ersten Blick erkennen konnte, dass sie belegt waren. In der Regel wurden die Gefangenen hier immer bloß bis zum Ende des zweiten Tages festgehalten; dann wurden sie woandershin gebracht oder freigelassen.
Delia, Tom und seine Frau Mareike waren bereits in die Untersuchungshaft in die Justizvollzugsanstalt überführt. Zbigniew vermutete, dass es ein großer Prozess werden würde, der erst nach langer und aufreibender Vorarbeit der Staatsanwaltschaft beginnen würde.
Zeynel führte Zbigniew zum Erkennungsdienst, der in einer Ecke des Untergeschosses ein paar Räume belegte. Sie begrüßten einen hochgewachsenen Beamten, den Zbigniew bereits kannte – es war der Leiter des Erkennungsdienstes. Zu dritt gingen sie weiter in einen größeren Raum mit in die Wand eingelassenen Schließfächern. In der Mitte stand ein schlichter Tisch.
Die Asservatenkammer des Präsidiums.
»Wir hätten den ganzen Kram eigentlich heute Morgen direkt ans LKA weitergegeben«, sagte der hochgewachsene Beamte. »Gestern haben es uns die Niederländer überstellt.«
»Mein Kollege Herr Meier wollte noch einen Blick darauf werfen, bevor es in Düsseldorf verschwindet«, lächelte Zeynel freundlich.
Der hochgewachsene Beamte nickte. Es schien für ihn in Ordnung zu sein, auch wenn es nicht dem geordneten Dienstweg entsprach.
» KK 51, was? Ist Dieter Weber da immer noch?«
»Ja«, sagte Zbigniew. Er fragte sich, ob er davon erzählen sollte, dass Dieter darüber nachdachte aufzuhören.
Nein, das hatte er ihm im Vertrauen erzählt. Oder in einem schwachen Moment. Vermutlich hatte er es sich schon längst wieder anders überlegt.
»Grüßen Sie ihn mal schön von mir.«
Zbigniew nickte. Der Beamte öffnete eines der Fächer in der Wand. Zbigniew erkannte sofort, dass sich hier diverse Funde aus dem Hause Streithoff befanden.
»Die Schatulle?«, fragte der Beamte.
Zeynel nickte.
Der Leiter des Erkennungsdienstes nahm eine altertümliche Holzschatulle aus dem Fach.
»Ihr habt das ganze Ding mitgenommen?«, wunderte sich Zeynel.
»Ja, die im LKA sollen es noch röntgen und so, um zu sehen, ob es irgendwo ein Geheimfach gibt.«
Er öffnete die Schatulle.
Ein Haufen Fotos. Briefe. Quittungen. Papier, das so aussah, als ob es kurz vor dem Zerfall war.
»Die niederländischen Kollegen haben die Schatulle im Keller des Hauses in Valkenburg aan de Geul gefunden, zusammen mit diesem Nazischrott .«
Nach Lenas Befreiung war der holländische Erkennungsdienst mit ein paar Kollegen aus Deutschland, darunter auch Zeynel, in Tom Streithoffs Haus gewesen. Im Keller hatten sie in einer Ecke einige alte Abzeichen entdeckt, die vermutlich seinem Vater gehört hatten. Tom Streithoff hatte gesagt, er und Delia hätten die Sachen nach Pauls Tod in dessen Wohnung gefunden. Delia hätte sie vernichten wollen, aber
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