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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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fast ein wenig froh, als der Tag des Abflugs nahte. Einerseits traurig, weil er diese wunderbare Metropole nun verlassen musste, andererseits in Vorfreude auf sein eigenes Bett, seine ruhiggelegene große Wohnung und die selbstgenügsamste aller deutschen Großstädte, Köln. In dieser Reihenfolge.
    Am vorletzten Tag überraschte Lena Zbigniew mit der Nachricht, dass sie den Nachmittag allein verbringen wolle. Zunächst mochte sie den Grund dafür nicht nennen – dann aber gestand sie, Samuel Weissberg noch einmal zu treffen.
    »Und warum soll ich nicht dabei sein?«
    »Weil du nicht dabei sein willst.«
    Zunächst wollte Zbigniew protestieren, doch dann ließ er Lena ziehen. Als er nach dem Mittagessen durch die Upper East Side schlenderte, verflog jeglicher Unmut über Lenas Alleingang – in New York konnte man sich durchaus auch ohne Gesellschaft die Zeit vertreiben.
    Eine äußerst gut gelaunte Lena traf ihn wie verabredet um sechs Uhr am Apple-Store unweit der Südostecke des Central Parks wieder. Sie verabschiedete sich gerade am Telefon von Edina, ihrer besten Freundin in Deutschland.
    »Und, war’s schön?«, fragte er, ohne zu fragen.
    »Sehr schön«, sagte Lena, ohne zu antworten.
    Seltsamerweise hatte er das Bild von dem jungen Mann mit der Kufiya vor Augen. Wie er Lena zum Strahlen gebracht hatte.
    Er wischte es fort.
    »Schön.«
    Plötzlich lächelte Lena.
    »Ich soll dir noch Grüße von Samuel bestellen. Er wünscht uns einen guten Heimflug.«
    Dann gingen sie essen, und der Abend endete harmonisch.
    Glücklicherweise war am Tag der Abreise äußerst schlechtes Wetter. Ein dauerhafter Nieselregen trieb vom Hudson herüber. Zbigniew und Lena fuhren schweigsam im Taxi zum JFK Airport, ein Taxi, das seltsamerweise nicht gelb war, sondern schwarz und eher wie eine Luxuslimousine daherkam.
    Die hübschen Reihenhäuschen von Queens zogen vorbei. An den Scheiben des Taxis wurden die Regentröpfchen langsam vom Fahrtwind nach hinten weggestreift. Zbigniew blickte zu Lena, die links neben ihm saß. Sie hatte feuchte Augen, wollte es sich aber nicht anmerken lassen.
    Er nahm ihre Hand, Lena blickte aus dem Fenster. Er betrachtete an ihrem Finger den Ring, den er Lena zwei Tage zuvor geschenkt hatte. Es war kein teurer Ring, kein Schmuckstück von Tiffany’s, sondern ein einfacher Ring aus einem obskuren Tiefparterrelokal im East Village. Schmiedeeiserner Gothic-Look, wenn man so wollte. Der Händler betätigte sich im Nebenraum auch als Tätowierer und Piercer.
    Der Ring hatte natürlich nichts zu sagen, es war einfach bloß ein Ring, in den sich Lena von der ersten Sekunde an verliebt hatte.
    Kein besonderer Ring.
    Natürlich hatte Zbigniew sich selbst keinen Ring gekauft. Auch wenn Lena ihn beim Kaufakt des Rings so angeschaut hatte, als ob es ein Verlobungsring war.
    Es lag sicher nur daran, dass er niemals Schmuckstücke trug. Er war einen Ring am Finger nicht gewohnt. Lena hatte noch nicht einmal gefragt, ob er sich denselben Ring kaufen wollte.
    Dennoch hatte der Ring irgendeine Symbolkraft, ließ Zbigniew über grundsätzlichere Dinge nachdenken.
    Warum sollte er sich nicht einmal im Leben das Gefühl erlauben, dass er bindungsfähig war. Dass er sich committen würde. Dass es gar nicht gefährlich wäre, sich auf einen Menschen, den man liebte, ernsthaft einzulassen. Auch äußerlich, durch gemeinsame Ringe.
    War Lenas Ausflug am Tag zuvor etwa eine Reaktion darauf gewesen, dass er sich nicht committete ?
    Er drückte die Gedanken weg.
    Das Taxi fuhr weiter seinen Weg durch die endlosen Häuserreihen.
    Als Zbigniew und Lena das Taxi am Flughafen verließen, hatten sie auf der ganzen Fahrt kein Wort miteinander gewechselt. Jeder war seinen Gedanken nachgegangen, hatte New York geistig verlassen, die reale Stadt in eine Erinnerung umgewandelt. Mit Betreten des Flughafengebäudes fanden die beiden sich in einer anderen Wirklichkeit wieder. Nun ging es um die richtige Abfertigung, die richtigen Flugnummern und Gates.
    »There’ll be no stampede on the pearly gates«, ging es Zbigniew durch den Kopf. An der Himmelspforte werden die Menschen nicht drängeln, besagte ein alter Song.
    Hier dagegen war ein Gedrängel, ein Tohuwabohu.
    Zbigniew und Lena gelang es schließlich, das Gepäck ordnungsgemäß abzugeben. Sie standen an einer Kaffeebar und tranken einen exorbitant teuren Cappuccino, der nach Instant-Kaffeepulver schmeckte.
    Lena musste vor dem Abflug noch unbedingt mit ihren Eltern telefonieren.

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