Die tote Schwester - Kriminalroman
wimmelten umher. Auf den ersten Blick konnte er Lena nicht finden. Er schaute nach links, nach rechts. Auch ihr Gepäckwagen war nicht zu sehen.
Zbigniew ging durch eine nahgelegene Drehtür nach draußen. Vielleicht hatte Lena zum Rauchen das Gepäck mitgenommen.
Fehlanzeige. Von Lena weit und breit keine Spur. Nur ein paar leere Gepäckwagen standen umher.
Ein Hauch von Wut stieg in ihm empor. Warum war Lena nicht in der Lage, ein paar Minuten auf ihn zu warten?
Er ging wieder hinein. Blickte sich um. In alle Richtungen. Menschen. Menschen.
Menschen.
Warum konnte sie nicht einfach mal fünf Minuten an einem Ort stehen bleiben?
Zbigniew hastete zur Damentoilette, rief ein »Lena?« hinein.
Keine Antwort.
Irgendetwas stimmte nicht.
Warum sollte sie woanders hingehen?
Ein Scherz.
So einen Scherz machte man nicht. Noch nicht einmal Lena tat so etwas.
Seine Wut verflog, wie sie gekommen war.
Sie wäre hier in der Nähe stehen geblieben. Auch wenn sie einen Bekannten getroffen hätte. Auch wenn irgendetwas anderes passiert wäre.
Sein Körper meldete sich, bevor er zu Ende gedacht hatte.
Er begann plötzlich, am ganzen Körper zu zittern.
Zbigniew stand da, wie gelähmt, taumelnd, sah sich noch einmal um, in alle Richtungen, durch die Glastür nach draußen, regungslos und hektisch zugleich, immer panischer, den ganzen sichtbaren Bereich mit den Augen absuchend.
Lena war verschwunden.
Das Gepäck war verschwunden.
Er musste sich zusammenreißen.
Sein Puls raste.
Lena war wie vom Erdboden verschluckt.
Die folgenden Minuten kamen Zbigniew im Nachhinein wie Stunden vor. Wie etwas, das durch eine Zeitlupe verlangsamt wird.
Erst nach einigen Momenten des Nicht-glauben-Wollens fiel ihm ein, dass Lena ja ein Telefon hatte. Er rief sie auf dem Handy an – erfolglos, es meldete sich die Mailbox. Dabei meinte er sich zu erinnern, dass Lena ihr Mobiltelefon nach der Landung in Köln eingeschaltet hatte. Zbigniew hinterließ einige hastige Worte, dass sie schnell zurückrufen solle.
Die vielen Menschen am Flughafen.
Irgendjemand musste sie gesehen haben.
Zbigniew fragte ein paar Flughafengäste, die in langen Sitzreihen nahe des Ausgangs saßen. Einen Besucher des nahegelegenen Cafés im Ankunftsbereich, die Kellnerin. Niemandem war irgendetwas aufgefallen.
Hektisch stoppte Zbigniew einen Securityguard. Der fühlte sich nicht zuständig, funkte aber immerhin die Polizei an.
Inzwischen waren die Menschen in seiner Nähe auf ihn aufmerksam geworden. Sie begnügten sich jedoch damit, ihn aus einigem Abstand heraus zu beobachten. Glaubten sie, er sei verrückt?
Er rannte wieder nach draußen, zu dem in der Nähe des Ausgangs gelegenen Taxistand. Ein am Wagen lehnender Taxifahrer, irritiert von Zbigniews wilden Beschreibungen, schüttelte verneinend den Kopf. Er war erst vor einer Minute hierhergekommen.
Von der Seite marschierten nun zwei Polizisten auf Zbigniew zu. Einer der beiden hatte die Hand misstrauisch an der Waffe.
»Sind Sie der Mann, der … «, fragte einer der Polizisten.
»Meine Freundin ist verschwunden. Wir sind gerade gelandet, sie stand hier mit dem Gepäck, ich war kurz auf Toilette … Und dann war sie fort.«
Einer der Polizisten runzelte die Stirn.
»Haben Sie sich gestritten?«
Zbigniew atmete laut durch.
»Nein, wir haben uns nicht gestritten. Sie wollte hier warten, und jetzt ist sie weg.«
Der Polizist nickte.
»Hören Sie, wenn sie entführt wurde, dann zählt jede Minute«, sagte Zbigniew.
Video.
Er sah eine Kamera.
»Hier gibt es doch eine Videoüberwachung überall, da müssen wir reinschauen.«
»Jetzt mal langsam. Wieso sollte jemand Ihre Freundin entführen?«
Zbigniew war kurz davor, den Polizisten anzuschreien. Doch er nahm sich zusammen, wusste, dass es keinen Sinn machte. Dann sprudelte es nur so aus ihm heraus.
»Das ist doch jetzt egal. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Die Videoüberwachung einsehen. Hier alle Leute befragen, die Taxifahrer, die Bediensteten. Die Abfahrtsstraße vom Flughafen sperren, die Autos überprüfen.«
»Sie meinen, dass wir jetzt einen Großeinsatz machen, weil Ihre Freundin grad mal seit ein paar Minuten nicht auffindbar ist?«
»Die Freundin und alles Gepäck. So viel, wie sie allein gar nicht hätte tragen können.«
»Hatten Sie denn Wertsachen dabei?«
Es war sinnlos. Er verlor wertvolle Zeit.
»Jetzt beruhigen Sie sich erst mal. Bislang ist noch niemand auf Dauer verloren gegangen hier am Flughafen«, lächelte der
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