Die tote Schwester - Kriminalroman
eingetragen.
»Fehlanzeige.«
»Warten Sie, darf ich etwas schauen?«, fragte Zbigniew. Mendelstein nickte, und Zbigniew suchte die Straße, in der er wohnte. Den Gereonswall.
Einige jüdische Mitbürger waren verzeichnet, die 1941 aus den Häusern geholt und deportiert worden waren. Mit Schaudern erkannte Zbigniew, dass zwei Menschen aus dem Haus direkt gegenüber betroffen gewesen waren.
Würde er von nun an anders aus dem Fenster schauen?
»Wohnen Sie da?«, fragte Mendelstein mit einem Lächeln.
»Ja.«
Woher wusste er es? Mendelstein antwortete, ohne dass Zbigniew fragte.
»Das ist die natürliche Reaktion. Jeder, der das Buch aufschlägt, schaut zunächst in seiner eigenen Straße nach. In der Hoffnung, dass da nichts steht. Sie kennen die Stolpersteine?«
Zbigniew nickte. Ein Kölner Künstler war seit längerer Zeit dabei, vor jedem Haus, aus dem im Dritten Reich Juden deportiert worden waren, für jeden Menschen einen messingfarbenen Stein mit dessen Namen in den Bürgersteig einzulassen.
Er gab Mendelstein seine Karte und fragte nach seiner Nummer. Der Archivar hatte kein Mobiltelefon, bot ihm aber an, dass Zbigniew bei Rückfragen in jedem Fall hier im Haus anrufen könne.
Zbigniew bedankte sich ein weiteres Mal bei ihm. Sie verabschiedeten sich.
Im Café an der Breiten Straße war es ruhiger geworden, die Mädchen an der Theke hatten die belanglose Musik gedämpft und begannen, die ersten Tische zu wischen. In dieser Gegend der Stadt wurden um zwanzig Uhr die Bürgersteige hochgeklappt.
Zbigniew sah auf die Uhr, es war kurz nach sieben.
Mittags in New York.
Ein weiterer Versuch.
Samuel Weissberg ging nicht ans Telefon. Kein Anrufbeantworter, nichts. Nur ein endloses Tuten.
Auch Delia Johannsen hatte sich nicht gemeldet.
Irgendetwas stimmte nicht.
Zbigniew hatte eine Idee. Er kramte die Visitenkarte heraus, die Weissberg ihm gegeben hatte. Die Nummer seines alten Reviers war verzeichnet.
Er wählte.
Eine Frauenstimme meldete sich, er war in der Tat beim NYPD gelandet. Vorsichtig fragte Zbigniew, ob er einen älteren Kollegen sprechen könne, der Samuel Weissberg noch kannte.
»Sure«, sagte die Frau.
Es dauerte einen Moment. Eine misstrauische Stimme, der Zbigniew erst mal ausführlich ein »Who wants to know?« erläutern musste, meldete sich. Der Beamte am Ende der Leitung kannte Samuel nicht, wusste aber, wer er war. Er holte einen anderen Kollegen ans Telefon.
Was der Anruf vom Mobiltelefon nach New York ihn wohl kostete?, dachte Zbigniew, während er wartend in der Leitung hing.
Es spielte keine Rolle.
»Jack Rosenfeldt, NYPD «, meldete sich eine knorrige Stimme aus dem Hörer.
Zbigniew begann zu erklären, dass er ein Freund von Samuel Weissberg sei – »from Germany«. Der unbekannte Cop am anderen Ende der Leitung unterbrach ihn, »great«, fing an, von Weissberg zu schwärmen. Als er fertig war, fuhr Zbigniew fort. Er erläuterte Rosenfeldt, dass er seit einiger Zeit versuchte, Weissberg zu erreichen – ohne Erfolg. Da Zbigniew in Köln sei, könne er nichts tun.
»Ich werde mich darum kümmern«, versprach Jack Rosenfeldt, und der Ton seiner Stimme klang, als ob durch seinen Einsatz für die gesamte böse Hemisphäre eine Gefahr ausging. »I’ll take care of it … «
Zbigniew gab ihm seine Telefonnummer, Rosenfeldt versprach, ihn sofort zurückzurufen, wenn er etwas herausgefunden habe.
Als Zbigniew auflegte, wurde er sich der Sache unsicher. Machte er Pferde scheu? Handelte er übertrieben, die New Yorker Polizei einzuschalten, bloß weil Weissberg sich ein paar Tage lang nicht gemeldet hatte?
Auch Zeynel hatte offenbar bereits einen Kontakt zum NYPD . Kam er der Ermittlungsgruppe in die Quere?
Andererseits hatte er ja nicht offiziell die Polizei informiert. Bloß einen alten Bekannten von ihm, der nach dem Rechten schauen würde.
Delia.
Er wählte die Nummer.
Sie nahm ab.
»Oh, my dear Zbigniew«, trällerte sie in übertrieben entschuldigender Intonation. »Ich habe Sie noch nicht zurückgerufen.«
»Ist etwas passiert?«
»Nein, aber ich konnte Samuel noch nicht erreichen. Ich probiere es den ganzen Tag lang, aber es klappt nicht. Er ist wie vom Erdboden verschluckt. Ich habe Sie noch nicht zurückgerufen, weil ich Sie nicht verunsichern wollte.«
Zbigniew bekam ein immer schlechteres Gefühl. Irgendetwas war im Gange, das er nicht verstand.
»Waren Sie in seiner Wohnung?«, fragte er.
»Nein, ich habe keinen Schlüssel. Aber er hat nicht
Weitere Kostenlose Bücher