Die tote Schwester - Kriminalroman
melde daten. Die sind aber für Ihren Fall wohl erst mal irrelevant.«
Zbigniew dachte nach.
Er machte einen Denkfehler.
»Eigentlich ging es ja damals darum, ihre Geburt geheim zu halten. Deshalb kann ja ohnehin keine Geburtsurkunde in Köln ausgestellt worden sein, oder? Dann existiert sie ja sowieso nicht.«
Mendelstein lächelte, nickte.
Eine Gesprächspause entstand.
»Sind Sie eigentlich verwandt mit ihr?«, fragte der Archivar dann.
Zbigniew schüttelte den Kopf.
»Was in alles in der Welt bewegt Sie dann, jetzt, nach so vielen Jahren, noch mal nach ihr zu suchen?«
Seine Freundin war aufgrund von Informationen über Eva Weissberg entführt worden.
Zbigniew spürte einen kurzen Schweißausbruch.
Er konnte dem alten Mann nur einen Teil der Wahrheit erzählen.
»Samuel Weissberg hat erfahren, dass er bald sterben wird. Er hat mich beauftragt, sein großes Lebensrätsel zu klären«, sagte Zbigniew schließlich.
Mendelstein nickte, als sei dies nichts Besonderes.
»Diese Geschichte interessiert mich. Und es wundert mich, stört mich fast, ehrlich gesagt, dass ich noch nie etwas von Eva Weissberg gehört habe.«
»Das letzte Mal wurde intensiv in den Sechzigern nach ihr gesucht«, sagte Zbigniew.
»Was noch näher an der Zeit damals dran war. Je länger so etwas her ist, desto schwieriger wird es. Es sei denn, es wurde irgendwo ein grundsätzlicher Fehler gemacht bei der Suche. Aufgrund einer falschen Prämisse. Dann könnten Sie noch eine Chance haben.«
Zbigniew nickte. Genauso verhielt es sich mit polizeilichen Vermisstenfällen.
»Und wenn ich Sie jetzt frage? Ich meine, mir würde es schon helfen, wenn Sie mir sagen, wie ich anfangen kann«, sagte Zbigniew. »Als Fachmann.«
Mendelstein überlegte kurz.
»Wurde das Kind denn dann in Büsdorf offiziell geboren oder nicht?«
»Das weiß ich nicht. Meines Wissens wurde es dort ›untergebracht‹.«
»Weil«, sagte Mendelstein, »dann wäre Ihre Eva Weissberg im Geburtenregister von … Büsdorf. Vielleicht, vermutlich unter einem anderen Namen, aber sie könnte drinstehen. Und wenn Sie das genaue Geburtsdatum wissen, können Sie sie dort auch finden. Ebenso wie den Namen, den sie von da an trug. Da müssen Sie dort zum Standesamt gehen und fragen.«
Zbigniew nickte. Dieser Gedankengang leuchtete ihm ein.
Wusste Samuel Weissberg es? Waren die Suchdienste dieser Möglichkeit schon nachgegangen?
»Aber es ist nicht besonders wahrscheinlich, dass sie dort eingetragen ist, oder?«
»Doch, doch. Sie haben einen zusätzlichen Esser im Haus, da wollen Sie doch auch Lebensmittelkarten für haben. Gut, auf dem Bauernhof ist das vielleicht nicht das Hauptproblem. Aber ein Baby lässt sich schwer verheimlichen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nirgendwo registriert wurde. Vielleicht hat die Frau auf dem Bauernhof behauptet, ihre Schwangerschaft nicht bemerkt zu haben. Es sind viele Dinge möglich.«
»Ja«, sagte Zbigniew nachdenklich.
»Kann Samuel Weissberg sich daran erinnern? Sie sollten ihn fragen.«
»Das werde ich«, sagte Zbigniew und spürte eine innere Ungehaltenheit, dass er den Ex-Cop noch nicht erreicht hatte.
»Also, vielleicht wurde die Geburt des Kindes angezeigt, vielleicht aber auch nicht. Sie sollten noch mal recherchieren, wer die Besitzer des Hofs waren. Vielleicht alte Leute im Ort befragen. Waren die Toten auf dem zerstörten Hof identisch mit der Familie, die Ihr Kind aufnahm? Die Amerikaner haben sicher alles genau bei der Befreiung dokumentiert und in ihren Archiven verzeichnet. Vielleicht können die Suchdienste Ihnen helfen.«
»Ging in den letzten Kriegstagen nicht alles drunter und drüber?«
Mendelstein schüttelte den Kopf.
»Nein. Vielleicht ein paar Tage, höchstens. Wissen Sie, jeder Dorfbürgermeister im Dritten Reich, wenn er nicht ganz meschugge war, wollte wissen, wer in seinem Dorf wohnt. Wegen der Mangelverwaltung. Reichsnährstand. Niemand wollte einen unregistrierten Esser bei sich haben, die Lebensmittel wurden zugeteilt und waren knapp. Das war nach der Befreiung im März 1945 auch nicht anders. Die Amerikaner und die Engländer, die hinterher kamen, haben sofort die Register weitergeführt. Militärregierung, da war nicht viel Platz für Chaos. Zumindest nicht bei den Amerikanern, den Engländern und den Weißfranzosen.«
»Weißfranzosen?«
»Na ja, es gab auch Gebiete, die die Marocfranzosen befreit haben. Und da ging’s zu wie bei den Russen.«
Zbigniew fragte sich einen kurzen
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