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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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diesem Tag die amerikanischen Truppen Köln befreit haben. An Ihrer Stelle würde ich nicht davon ausgehen, dass das Todesdatum etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat.«
    Verschollenheitsgesetz. Zbigniew ließ sich diesen Namen still auf der Zunge zergehen.
    Wenn man kein Datum hatte, musste man eines nehmen.
    Der Ort. Was war mit dem Ort?
    »Haben Sie eine Ahnung, warum Paul Streithoff den Sterbeort aus der Urkunde nicht auf dem Grabstein wollte?«, fragte er.
    »Paul Streithoff?«
    »Er war der Mann, der die Inschrift für das Mädchen nachträglich hat anbringen lassen.«
    Mendelstein schwieg einige Sekunden lang. Zbigniew begriff, dass er es erst verarbeiten musste.
    »Seltsam.«
    »Ja. Hier ist einiges seltsam.«
    »Also … Ich weiß es nicht. Aber Sie sollten vielleicht wissen … 1944 ist herausgekommen, dass Streithoff gegen Geld einigen Juden geholfen hatte. Es gab irgendjemanden aus seinem Umfeld, der ihn vorwarnte, und so ist Streithoff in Richtung Frankreich geflohen, wo er sich den Alliierten gestellt hat. Er wurde gefangen genommen, aber einige munkeln, dass er mit seinem Wissen bei der Befreiung von Köln eine gewisse Rolle gespielt hat. In jedem Fall hat Streithoff nach dem Krieg sehr schnell seinen Persilschein erhalten.«
    »Lebt er eigentlich noch?«
    Mendelstein antwortete ohne Umschweife.
    »Paul Streithoff? Nein, der lebt leider nicht mehr, er ist Ende der achtziger Jahre gestorben. Die jüdische Gemeinde Köln hat damals sogar Todesanzeigen in ein paar Zeitungen aufgegeben … dem Kölner Stadtanzeiger und der New York Times … «
    Zbigniew spürte einen Kloß im Hals.
    »In der New York Times?«
    »Ja, Paul Streithoff ist irgendwann nach dem Krieg in die USA emigriert.«
    Es hatte nichts zu bedeuten. Es war ein Zufall.
    Er war ausgewandert, war aber 1986 noch einmal in Deutschland gewesen? Bloß, um die Angelegenheit mit dem Grabstein zu regeln? Vor seinem Tod, sozusagen?
    Warum?
    »Gibt es Verwandte von ihm? Mit denen man sprechen könnte?«
    »Er hat dort auf jeden Fall Kinder. Wir hatten damals mit seiner Tochter über die Abstimmung der Texte in den Todesanzeigen gesprochen, sie hieß, warten Sie … «
    Zbigniew wusste es eine halbe Sekunde, bevor Mendelstein es aussprach.
    »Delia. Delia Streithoff.«
    Zbigniew fuhr in fast übermütiger Stimmung nach Köln zurück. Er hatte ein Datum. Er hatte Paul Streithoff. Und er hatte Delia. Zbigniew erinnerte sich: Sie hatte ihm damals auf der Vernissage erzählt, dass Samuel und ihr Vater Freunde gewesen waren. Dass ihr Vater Samuels Vater geholfen hätte.
    Damals. Es war nur einige Tage her, dieses Damals.
    Delia Johannsen. Natürlich, sie hatte irgendjemanden geheiratet, dessen Namen angenommen. Sofort nach dem Telefonat mit Mendelstein hatte Zbigniew Delia angerufen, aber es hatte sich bloß ihre Mailbox gemeldet.
    War sie schon unterwegs?
    War ihr bewusst, dass ihre Familie eine Rolle spielte, war dies der Grund für sie, nach Deutschland kommen zu wollen? Gab es etwas, das sie Zbigniew nur persönlich sagen konnte?
    War die nachträgliche Gravierung des Grabsteins mit Evas Namen eine alleinige Aktion von Paul Streithoff, oder kam sie auf Samuels Initiative zustande? Zbigniew erinnerte sich, dass in jener Zeit Samuel Weissberg die Schießerei in dem New Yorker Laden erlebt hatte. Stand er damals noch unter Schock?
    Während Zbigniew durch die abendliche Eifel fuhr, rotierten die Gedanken in seinem Kopf. Er hatte zwar einige neue Informationen, durch die sich aber mehr neue Fragen als Antworten ergaben.
    Und, natürlich, die Frage aller Fragen.
    Hatte das alles überhaupt mit Lenas Entführung zu tun?
    Zbigniew fuhr ein wenig langsamer, seine Stimmung schlug plötzlich um. Er war von positivem Tatendrang erfüllt, und doch durfte er sich eigentlich gar nicht freuen. Zweifel kamen in ihm auf. Jagte er einer Beschäftigung nach, einer Ermittlung, über die er das eigentliche Ziel – Lena zu finden und zu befreien – völlig aus den Augen verloren hatte?
    Dennoch, bald kreisten seine Gedanken wieder um Eva Weissberg. Er hatte ein Geburtsdatum. Am Morgen, im Bergheimer Standesamt, hatte es ihm gefehlt. Es war der Grund gewesen, warum Zbigniew überhaupt nach Schalkenmehren gefahren war.
    Er konnte nun gezielt nach dem Baby suchen.
    Heute würde er in Ämtern nichts mehr bewirken können. Zbigniew beschloss, direkt nach Hause zu fahren.
    Die Dämmerung war über der Stadt hereingebrochen, als Zbigniew seinen Wagen im Eigelsteinviertel parkte. Er

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