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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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ist?«
    Der Amtsleiter überlegte kurz.
    »Es war 1986«, sagte er schließlich in einem sicheren Ton.
    Zbigniew nahm einen Schluck Tee. Er war kein Fachmann, aber dieser grüne Tee schien perfekt zubereitet zu sein.
    Der Ort, das war es, was ihm nicht gefiel.
    Es fehlte der Sterbeort auf dem Grabstein. Der Geburtsort war verzeichnet, so wie bei den Eltern.
    Der Sterbeort von Eva Weissberg nicht.
    Er fragte den Amtsleiter danach. Dieser lächelte.
    »Stimmt, jetzt wo Sie es sagen, erinnere ich mich wieder … Ich fand das ein wenig merkwürdig.«
    »Was?«
    »Wir hatten die Reinzeichnung für die Gravur machen lassen, mit Datum, mit Ort. Wir zeigten sie dem Mann … «
    Der Amtsleiter sah ihn einen Moment lang schweigend an. Zbigniew spürte, wie ihn die Erinnerung an diese Vorfälle aufwühlte.
    »Er bestand darauf, dass der Sterbeort nicht genannt wurde. Dabei stand er in der nachträglichen Sterbeurkunde; ich weiß noch, wie ich mit dem Mann darüber diskutiert hatte.«
    »Welcher Ort war in der Sterbeurkunde genannt?«
    Der Amtsleiter runzelte die Stirn.
    »Es war … irgendein Dorf … «
    »Büsdorf?«, half Zbigniew.
    Der ältere Herr sah ihn überrascht an.
    »Ja, genau, Büsdorf. Woher wissen Sie das? Es war wirklich merkwürdig. Der Mann wollte damals partout nicht, dass es auf dem Grabstein steht.«
    Während Zbigniew ihm grob erklärte, woher sein Wissen stammte, pochte nur eine Frage in seinem Hinterkopf: Warum wollte der Mann nicht, dass Büsdorf auf dem Grabstein stand?
    »Hieß der Mann Samuel Weissberg?«
    Er hatte die ganze Zeit Samuel Weissberg vor Augen gehabt, als der Amtsleiter ihm die Geschichte erzählt hatte. Doch es passte nicht, weil Samuel 1986 kein alter Mann gewesen war. Vermutlich war der Amtsleiter damals genauso alt gewesen wie Samuel, daher hätte er ihn auch niemals als alten Mann bezeichnet.
    »Nein, der Mann hieß anders.«
    »Könnten Sie ihn beschreiben? Oder gibt es etwa ein Foto?«
    »Nein, ein Foto gibt es nicht. Aber seinen Namen, den haben wir natürlich damals vermerkt. So wie ich es verstanden habe, hatte er damals dem Mädchen geholfen unterzutauchen. Also, im Zweiten Weltkrieg.«
    Zbigniews Atem beschleunigte sich.
    Wie hieß der Freund von Gideon Weissberg? Der Mann, der seine Hand schützend über die Familie gehalten hatte? Mendelstein hatte ihm den Namen genannt.
    Der Amtsleiter würde sich erinnern, wenn er ihn nannte.
    Er sollte ein Notizbuch führen.
    »Paul Streithoff?«, sprudelte plötzlich aus ihm heraus.
    Das war der Name.
    »Ja, genau. Paul Streithoff, so hieß der Mann.«
    Zbigniew sah den Amtsleiter an. Er hoffte, dass seine innere Aufregung nicht zu sehr nach außen drang. Nein, der Amtsleiter schien noch über etwas nachzudenken. Etwas sagen zu wollen.
    »Er sah krank aus«, fügte der ehemalige Amtsleiter schließlich hinzu.
    Zbigniew fuhr ein paar hundert Meter vom Haus des Amtsleiters fort, um ein paar Ecken, und hielt den Wagen dann wieder an.
    Einen Moment lang sammelte er sich innerlich. Ließ die neuen Informationen auf sich wirken. Dann stieg er aus dem Wagen und wählte auf seinem Mobiltelefon eine Nummer.
    Eine Frauenstimme meldete sich.
    »Wir haben eigentlich bereits geschlossen«, sagte sie. War es die attraktive Dame mit dem Dutt?
    »Ist Julius Mendelstein noch im Haus?«
    Eine halbe Minute später hatte Zbigniew ihn am Apparat. Er erzählte von seinem Friedhofsbesuch. Als er auf die Inschrift »Eva Weissberg« zu sprechen kam, beschleunigte sich Mendelsteins Atem hörbar. Die Vorstellung von der Existenz einer Person, von der er bislang nichts wusste, erregte den Archivar.
    »Das heißt, es existiert eine Kölner Geburtsurkunde von ihr, nachträglich ausgestellt?«
    »Die wurde dem Amt damals vorgelegt, offenbar. Ich schätze mal, das passierte nach Samuel Weissbergs persönlicher Suche, 1960. Ich meine, er hat mir erzählt, dass sie 1961 für tot erklärt wurde. Vermutlich war es ihm wichtig, ihre Existenz wenigstens einmal bestätigen zu lassen.«
    »Spannend.«
    »Was ich mich auch frage … Wie kann jemand ihr genaues Todesdatum wissen und in die Todesurkunde eintragen lassen? Wenn es keine Zeugen dafür mehr gibt?«
    »Welches Datum war dort angegeben?«
    »6. März 1945.«
    »Das ist relativ einfach, denke ich. Man weiß bei Verschollenen sehr oft kein genaues Todesdatum. In so einem Fall wird das wahrscheinlichste Datum eingesetzt, das sieht das Verschollenheitsgesetz so vor. Vermutlich hat man den 6. März 1945 genommen, weil an

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