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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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jemand gesehen hatte, wie in einer Nacht nach der Geburt des Kindes ein Mann auf den Hof gekommen war. Der Mann hat wohl verschiedene Dinge in das Haus hineingetragen.«
    »Dinge?«
    Die Augen der alten Frau funkelten. Sie genoss, dass sich jemand für ihre alte Geschichte interessierte.
    »Ein Bündel, so hieß es. Vielleicht haben sie es aber auch erst später so genannt, nachdem meiner Mutter das aufgefallen war. Das weiß ich nicht.«
    »Der Mann hat das Kind gebracht?«
    »So hieß es. Und dazu … ein großes Gewehr.«
    »Ein Gewehr?«
    »Sie waren damals sehr wertvoll, hier. Und selten.«
    »Der Mann bringt ein Kind und ein Gewehr?«, fragte Zbigniew noch einmal. Er konnte es kaum glauben.
    »Ja. Also, natürlich hat niemand ein Kind oder ein Gewehr gesehen, die waren verpackt, aber … ja, so hieß es nachher.«
    Zbigniew hielt inne. Er versuchte es sich vorzustellen.
    »Das heißt, Ihre Mutter vermutete, dass das ursprünglich geborene Kind ausgetauscht wurde.«
    »Ja.«
    Christina Wetzell.
    Eva Weissberg war auf keinen Hof gebracht worden als zusätzlicher Esser, sondern sie war ausgetauscht worden. Gegen ein Neugeborenes, das gestorben war? Oder war es damals gar noch am Leben gewesen?
    Er hatte eine Spur entdeckt von Eva Weissberg, die noch nie jemand verfolgt hatte. Die Gänsehaut war immer noch da, dennoch wurden seine Hände heiß. In seinem Gehirn fielen die Gedanken übereinander her.
    »Könnte ich einen Schluck Wasser haben?«, fragte er.
    Die Bäuerin schenkte ihm mit ruhiger Hand aus einer Karaffe ein.
    Tonia räusperte sich.
    »Und was ist dann aus dem ersten Kind geworden?«, fragte sie.
    »Ist gestorben? Ich weiß es nicht.«
    »Hätte Ihre Mutter nicht Meldung machen müssen? Wenn andere im Dorf davon wussten, war das dann nicht gefährlich?«
    »Meine Mutter war kein Nazi, und ihre Freundinnen auch nicht. Natürlich gab es einige Bösewichter im Ort, aber, da können Sie Gift drauf nehmen, die Leute waren damals sehr vorsichtig, mit wem sie redeten und mit wem nicht. Davon hing ja das eigene Leben ab.«
    Während die alte Frau sprach, spürte Zbigniew, wie sein Telefon in der Jackentasche vibrierte. Er hatte es auf stumm gestellt. Einen winzigen Moment lang wollte er seiner Neugier nachgehen, dann riss er sich zusammen. Er hatte eine der wichtigsten Zeitzeuginnen für die Frage, die Samuel Weissberg ihm gestellt hatte, vor sich.
    Die Frage, der Lena unbedingt nachgehen wollte.
    Er konnte jetzt nicht nachsehen.
    »Wo ist Christina Wetzell jetzt?«, fragte er.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte die alte Frau.
    »Wissen Sie denn – ich meine, hat Ihre Mutter irgendwie herausbekommen, was hinter dem eventuellen Kinderaustausch damals steckte? Schließlich sprachen Sie vorhin von einem ›jüdischen Bastard‹.«
    »Na ja, sie ging davon aus, dass irgendwo heimlich ein jüdisches Kind geboren wurde und dass man es in die Familie hineingesteckt hatte. Damit es eine Chance bekommt zu überleben. Vielleicht, nachdem das andere Kind gestorben war. Hoffentlich war es so.«
    Die Frau räusperte sich, deutete ihnen, dass sie noch etwas sagen wollte.
    »Nein, es war so. Zumindest glaubte meine Mutter das. Die Neugeburt war sehr schwach, meine Mutter war sich immer sicher, das Baby war von allein gestorben.«
    »Und von wem das andere Kind gewesen sein könnte, wissen Sie nicht?«
    Zbigniews Blick blieb an einem Regal hängen, das mit senkrecht aufgestellten Porzellantellern mit rot verzierten Rändern gefüllt war.
    Der jüdische Bastard, diese Formulierung beinhaltete noch irgendwie mehr als das, was die Bäuerin bislang erzählt hatte.
    »Nein. Aber … es gab in der Tat noch einen recht seltsamen Umstand. Mein Gott, die Erinnerungen, sie kommen jetzt alle wieder.«
    »Was war das, der seltsame Umstand?«
    Die Frau sah ihn an, fast vorwurfsvoll, dass er sie derartig durch die schöne Geschichte hetzte.
    »Der Mann fuhr eine große schwarze Limousine. Einen großen schwarzen 260D.«
    »260D?«
    »Der Mercedes. Ich meine, wer fuhr damals solche Wagen noch. Wer fuhr solche Wagen überhaupt. Und dann bei uns in Stommeln. Da hatten sie natürlich vermutet, dass ein Nazioberer irgendwo ein Liebchen hatte.«
    Die Frau kicherte.
    »Nach der Sache mit dem Baby haben die Leute solche Dinge natürlich irgendwie in Verbindung setzen müssen.«
    Zbigniew musste sich konzentrieren, um mit seinen eigenen Gedanken Schritt zu halten. Die Bäuerin sprach weiter.
    »Die Frauen flüsterten sich also bald eine Geschichte

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