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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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von der fröhlichen Regung ausgenommen war. »Na, nicht aus dem Bett gekommen?« witzelte er, doch es wirkte eiskalt. »Na ja, das akademische Viertelstündchen.«
    »Guten Morgen, Herr Krüger«, sagte ich.
    »Guten Morgen«, antwortete er und zeigte auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Draußen war es mittlerweile heller geworden. Hier drinnen stach kaltes Neon von der Decke.
    »Ich hätte gar nicht gedacht, daß Sie hier überhaupt noch auftauchen«, sagte Krüger.
    Ich tat verwundert, doch mir war natürlich klar, worauf er anspielte. »Wieso?«
    »Nachdem Sie selbst gemerkt haben, daß alle Welt Regina Mallbergs Abschiedsbrief in der Zeitung sehen konnte.«
    »Ach, das meinen Sie.« Ich versuchte, ein erstauntes Gesicht zu machen. »Wer gibt schon was auf die Zeitungen? Ich will mir selbst ein Bild machen. Ich will das Original sehen.«
    »Wieso eigentlich?« Die blauen Augen musterten mich aufmerksam.
    »Wie Sie ja wissen, hatte diese Regina Mallberg mich aufgesucht. Ihr Schicksal geht mir eben nah. Ich möchte mir meinen eigenen Reim auf die Sache machen.«
    Krügers Mund grinste. Der Rest des Gesichts blieb unbewegt. »Ach, sieh mal an - ein Menschenfreund. Jemand, der sich völlig uneigennützig für das Schicksal anderer interessiert. Daß es so was noch gibt.« Er beugte sich vor. Das Grinsen war weg. »Hören Sie auf, Rott. Ich kann mir denken, daß Sie irgendwie in der Sache mitmischen. Das war mir schon klar, als ich neulich bei Ihnen war.«
    »Jetzt tun Sie mir unrecht«, sagte ich wahrheitsgemäß, denn an diesem Tag hatte mich ja Frau Mallberg noch gar nicht engagiert.
    »Mir egal. Sie sagen mir ja sowieso nicht, was Sie mit der Sache zu tun haben. Und das müssen Sie auch gar nicht, wie wir beide wissen.«
    »So ist es. Außer, ich behindere die Arbeit der Polizei. Außer, ich verschweige wichtige Hinweise. Für mich gelten dieselben Pflichten wie für jeden Bürger. Alles klar, Herr Krüger.«
    Er nickte und lehnte sich wieder zurück. »Ich finde es schön, daß wir uns so gut verstehen. Dann wissen Sie ja auch, daß Sie mir den weiteren Kontakt, den Sie da am Telefon angesprochen haben, in jedem Fall zur Aussage bringen müssen. Egal, ob wir irgendwelche Deals machen oder nicht. So wie jeder Staatsbürger.«
    Ich sagte nichts und sah ihn nur eine Weile an. Das Büro miefte nach trockener Heizungsluft. Ich war auf einmal furchtbar müde.
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden«, sagte ich dann. »Von welchem Kontakt soll ich Ihnen am Telefon erzählt haben?«
    Krüger schwieg eine Weile zurück, ohne mich aus den Augen zu lassen. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und präsentierte mir riesige Schweißflecken, die sich unter seinen Armen gebildet hatten. Ich überlegte, ob er bereits eine Nachtschicht hinter sich hatte und noch nicht nach Hause gekommen war. Er nahm die Arme wieder herunter.
    »Okay, Rott. Sie haben gewonnen. Warum soll ich Ihnen nicht zeigen, was jeder lausige Zeitungsschmierer in diesem Lande bereits als Kopie in Händen hält?« Er drehte sich auf seinem Bürostuhl und öffnete einen Aktenschrank, der hinter ihm stand. Als er sich mir wieder zuwandte, hatte er eine Mappe in der Hand. Er legte sie auf den Schreibtisch, drehte sie herum und schlug sie auf.
    Der Brief befand sich in einer Plastikhülle. Es war, wie ich angenommen hatte: Regina Mallberg hatte ihre letzten Worte auf einem Briefpapier für kleine Mädchen geschrieben. Rund um den Text wand sich eine kitschige Blumengirlande. Sie hatte mit Füllfederhalter geschrieben. Ich nahm die Mappe in die Hand, weil sich die Deckenbeleuchtung in dem Plastik spiegelte. Ich versuchte, mich an die Schrift auf dem Zettel zu erinnern, den Frau Mallberg in Reginas Mantel gefunden hatte. War das dieselbe Handschrift? Dann sah ich, daß der Blumenrand oben unterbrochen war und sich die Girlande nicht um den gesamten Text wand. Wie abgeschnitten.
    »Ein eigenartiges Format«, sagte ich. »Es ist etwas kürzer als DIN-A-4. Haben Sie untersucht, wo das Briefpapier herkommt?«
    »Das lassen Sie mal unsere Sorge sein. Der Brief ist jedenfalls echt. Wir haben Handschriftuntersuchungen vorgenommen.« Er schloß die Mappe und legte sie zurück in den Schrank. »So, das war’s.« Er drehte sich um. »Jetzt sind Sie dran.«
    Ich gab einen kurzen Bericht über den plötzlichen Handy-Anruf und erwähnte, daß Regina Mallberg nach Auskunft ihrer Mutter gar kein Mobiltelefon besessen hatte. »Vielleicht können Sie herausfinden, wer

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