Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
ihm einen Platz im elegant eingerichteten Salon angeboten hatte. »Es ist schlimm genug, was die Ärzte … ihr angetan haben.«
Eine sonderbare Formulierung, dachte Walther bei sich. »Frau Lehnhardt, am schlimmsten dürfte wohl sein, was der Mörder ihr angetan hat.« Die Bemerkung konnte er sich nicht verkneifen.
Sie schaute etwas pikiert, fing sich aber. »Nun gut, natürlich. Ich habe mich unglücklich ausgedrückt. Dennoch möchte ich Sie bitten, ihren Leichnam so bald wie möglich freizugeben.«
»Selbstverständlich. Nur ist es so, dass immer noch nicht ermittelt werden konnte, welche Substanz es war, die zum Tod Ihrer Schwester geführt hat. Es scheint sich um ein seltenes Gift zu handeln, das selbst für Experten auf diesem Gebiet nicht sofort erkennbar ist.«
»Erstaunlich.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann einfach nicht verstehen, wer ihr so etwas antun würde.«
»Wir versuchen, genau das herauszufinden, Frau Lehnhardt, und sind dabei auf Ihre Mithilfe angewiesen.« Er holte zwei Briefumschläge aus der Tasche. Der erste enthielt das kurze Schreiben, das sie in der Wohnung der Toten gefunden hatten. Es wies Fingerabdrücke der Toten und einer weiteren unidentifizierten Person auf. Walther legte ihr das Blatt hin. »Können Sie sich vorstellen, von wem das stammt?«
Sie überflog die Zeilen und sah ihn ausdruckslos an. »Haben Sie das bei Jette gefunden?«
»Ja. Wir dachten an einen Liebhaber. Leider ist das Schreiben nicht datiert.«
»Ich habe wirklich keine Ahnung, von wem das stammen könnte. Vor einigen Jahren war Jette kurz mit einem Arzt aus ihrem Krankenhaus liiert, aber ich glaube nicht, dass sie einen Brief von ihm aufgehoben hätte.«
»Er lag in einem Buch, das wir auf dem Sofa fanden. Daher dachten wir, er könnte aus jüngerer Zeit stammen«, erklärte Walther.
»Meines Wissens hat sie danach keine Beziehung mehr zu einem Mann gehabt«, sagte Frau Lehnhardt. »Natürlich hat sie mir nicht alles erzählt, aber ich halte es für unwahrscheinlich.«
»Ich danke Ihnen. Dann wäre da noch etwas.« Er öffnete den zweiten Umschlag, reichte ihr Dr. Dahlkes Brief und erklärte die Hintergründe.
Er meinte, einen flüchtigen Ausdruck in ihren Augen zu lesen – Überraschung, Furcht, etwas anderes? –, doch er verschwand, bevor Walther ihn einordnen konnte.
»Sie hat sich zwei Wochen vor ihrem Tod an ihn gewandt?«
»Ja. Ich frage mich, ob die beiden Briefe in irgendeiner Verbindung zueinander stehen.«
»Sie meinen, ob das Problem, von dem sie diesem Dr. Dahlke geschrieben hat, etwas mit dem Verfasser des anderen Briefes zu tun hat?«
Walther nickte. »Ist Ihr Sohn zu Hause? Ich würde ihm die Briefe auch gern zeigen.«
»Adrian kommt gleich von der Probe.«
Wie aufs Stichwort hörte man die Haustür schlagen, und der junge Mann trat noch im Mantel ins Zimmer. Er küsste seine Mutter auf die Wange und gab Walther die Hand.
»Der Herr möchte dir etwas von Jette zeigen.«
Adrian Lehnhardt las den Brief Dahlkes rasch durch und schüttelte den Kopf. »Das sagt mir leider nichts.«
Walther reichte ihm das andere Schreiben. Der junge Mann verneinte auch diesmal und gab ihm mit einem bedauernden Blick das Blatt zurück. Doch dabei zitterten seine Hände. Walther registrierte es mit Interesse.
Gertrud Pollack war eine kräftige Frau mittleren Alters, deren Auftreten von vielen Jahren Erfahrung in ihrem Beruf zeugte. Sie sprach gerade in freundlichem, aber energischem Ton mit einer Patientin, die sich partout nicht an die verordnete Bettruhe halten wollte.
»Dann muss ich einen Arzt rufen, Frau Eder. Das schaffen wir doch auch so, oder?«
Die Patientin gab nach und ging schleppenden Schrittes in ihr Zimmer zurück. Schwester Gertrud drehte sich um und sah Sonnenschein fragend an. »Ja, bitte? Die Besuchszeit ist morgen wieder von elf bis zwölf.«
Sonnenschein zeigte seinen Dienstausweis vor. »Wenn Sie ein paar Minuten Zeit hätten – es geht noch einmal um Frau Dr. Strauss.«
Er sah, wie ihre geröteten Wangen merklich blasser wurden. »Muss das sein?«
»Ja, es muss«, erwiderte er entschieden.
Sie schaute den Flur hinauf und hinunter und sagte zögernd: »Gut, ich gebe im Schwesternzimmer Bescheid.«
Sie verschwand hinter einer Tür. Sonnenschein blickte sichum und bemerkte eine junge Frau am Ende des Flurs, die sich an der Wand abstützte. Sie war hochschwanger und hielt eine Hand an den Bauch gepresst. Nach den jüngsten Erfahrungen fragte
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