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Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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die Adele   …«
    »Hör zu, du nimmst dir nachher deine Schwester und gehst mit ihr in die Volksküche in der Stromstraße.«
    »Meine Eltern wollen das nicht.«
    »Die wollen auch nicht, dass du klaust. Sag, ihr geht spazieren, denk dir was aus. Wenn man euch in der Stromstraße nichts umsonst gibt, bietest du an, für zwei Teller Suppe zu arbeiten. Verstanden?«
    Der Junge nickte. Leo ließ ihn los und sah ihm nach, wie er davonrannte.
    Seufzend wandte er sich wieder in Richtung Bahnhof.
     
    »Reichswehr rückt in Thüringen ein!« schrien die Zeitungsjungen am Alexanderplatz. Straßenhändler drängten sich vor dem Warenhaus Tietz, als wollten sie dem Koloss Konkurrenz machen. Leo konnte keine zwei Meter weit gehen, ohne von Privatleuten angesprochen zu werden, die ihm etwas verkaufen wollten, manchmal auch den eigenen Körper. Am frühen Morgen, in dieser Gegend, eigentlich undenkbar, doch was war heutzutage noch normal?
    Er hatte so ein Gefühl, eine Art inneres Kribbeln, als könnte an diesem Tag etwas passieren, das er noch nicht benennen konnte. Ein entscheidender Durchbruch bei den Ermittlungen oder etwas vollkommen anderes? Er wusste es nicht.
    Leo war gespannt, was die Befragungen von Walther und Berns im Luisenkrankenhaus ergeben hatten. Dieser Überfall, Anschlag oder wie man es nennen wollte   … auf offener Straße   … Sollte es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem Tod von Henriette Strauss und den Versuchen in der Klinik geben? Immerhin war Stratow auf seiner Station für alle Experimente mit Medikamenten verantwortlich.
    Er ließ sich von der Menge treiben. Viele, die den Fahrpreis für öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr aufbringen konnten, gingen zu Fuß: Menschen mit Körben auf dem Rücken, mit Leiterwagen, in denen sie Dinge beförderten, die sich irgendwie zu Geld machen ließen. Mancher wollte aufs Land, um dort bei Bauern die letzten Wertsachen zu tauschen oder auf den Äckern nach Kartoffeln zu graben.
    Vorbei an Aschinger, durch die Grünanlage, dann war er am Präsidium angelangt. Meist verschwendete er keinen Gedanken an den wuchtigen Bau, nur an besonderen Tagen wie diesem überlegte er, wie der Anblick auf Menschen wirken mochte, die tatsächlich schuldig waren oder die man fälschlicherweise dafür hielt. Wie viele hatte die roteBurg so sehr eingeschüchtert, dass sie Dinge gestanden, die sie gar nicht getan hatten? Ein unangenehmer Gedanke.
    Als er die Glastür des Morddezernats passierte, kam ihm Sonnenschein im Flur entgegen. »Guten Morgen, Herr Kommissar. Der junge Lehnhardt hat schon angerufen, er ist bereit, mit Ihnen in die Wohnung der Toten zu gehen.«
    Ein gutes Zeichen, dachte Leo. Um Aufklärung bemüht, vielleicht ein Verdächtiger weniger.
    »Danke, Sonnenschein.« Leo betrat das Vorzimmer. »Guten Morgen, Fräulein Meinelt. Besorgen Sie uns doch bitte einen Kaffee.«
    Sonnenschein zögerte einen Augenblick, bevor er Leo ins Büro folgte.
    »Ja?«, fragte Leo.
    »Herr Kommissar, Sie hatten doch dieses Flugblatt   …«
    »Und?«
    »Mein Vater macht sich Sorgen. Er fühlt sich bedroht. Diese Flugblätter werden überall in der Gegend verteilt, man hat ihn schon auf der Straße beschimpft.«
    »Sie wissen doch, wie es in solchen Zeiten geht. Die Leute suchen Sündenböcke. Da kommen Juden immer gelegen.«
    Sonnenschein nickte und ging hinaus.
    Seufzend griff Leo zum Hörer und wählte die Nummer der Lehnhardtschen Villa.
    »Guten Morgen, Herr Kommissar. Ich habe um zehn Uhr eine kurze Verabredung, danach bin ich bereit«, sagte Adrian Lehnhardt zur Begrüßung.
    Leo schaute stirnrunzelnd auf die Akten, die sich auf dem Schreibtisch stapelten. »Sagen wir, um elf?«
    »Einverstanden.«
    Einen Augenblick später betrat Walther sein Büro und berichtete von den Befragungen im Krankenhaus.
    »Es war also eine Patientin.«
    »Schwester Eva war sich so gut wie sicher. Sie hat nicht gezögert,als wir ihr die Zeichnung gezeigt haben. Berns und ich fahren gleich zu dieser Frau Lincke.«
    Leo nickte und drehte einen Stift zwischen den Fingern. »Ihr Kind ist kurz vor der Geburt gestorben, das war ein furchtbarer Schock. Wer weiß, was das in ihr angerichtet haben mag. Hat die Schwester erwähnt, ob das Kind im Mutterleib bereits zu dem Zeitpunkt tot war, als die Frau ins Krankenhaus kam?«
    »Nein. Ich habe vergessen, danach zu fragen.«
    »Holt das bitte nach, bevor ihr zu der Frau fahrt. Und lasst euch von dieser Schwester Annemarie die Identität der Patientin

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