Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
Sorgen. Wechsler bearbeitet einen dringenden Fall, die Presse übt schon Druck aus.« Er scheute sich nicht, der Wahrheit ein bisschen nachzuhelfen.
»Gab es denn einen Einsatzbefehl für die Inspektion A?«, wollte Richter wissen.
»Nein. Es ist natürlich eine Angelegenheit der Schutzpolizei, wie alle Straßenunruhen.«
»Und seit wann sind die Herren abgängig?«
Von Malchow sah auf die Uhr. »Vier bis fünf Stunden.«
Richter überlegte. »Ich spreche mit Gennat.«
»Ich hoffe, Sie missverstehen meine Beweggründe nicht, Herr Polizeipräsident. Aber die laufenden Fälle genießen Vorrang, und ich fände es bedauerlich, wenn wir eine schlechte Presse bekämen. Das ist für alle Beteiligten unerfreulich.«
Vor allem für den Polizeipräsidenten, dachte er bei sich.
»Herr von Malchow, ich habe Sie durchaus verstanden und danke Ihnen für den Hinweis.«
Sowie von Malchow das Büro verlassen hatte, griff Richter zum Hörer. »Gennat, was geht bei Ihnen da unten vor?«
Walther und Berns hatten Margot Lincke mit aufs Präsidium genommen und einen Haftbefehl beantragt. Eine Frage blieb jedoch noch zu klären.
»Auf der Frauenstation des Luisenkrankenhauses hat eine Frau Dr. Strauss gearbeitet«, sagte Berns. »Haben Sie sie kennengelernt?«
Margot Lincke erwachte aus ihrer Apathie. »Ja, die war sehr freundlich. Gar nicht von oben herab.« Sie zögerte. »Wenn eine Frau einen untersucht, ist das schon angenehmer.«
»Frau Dr. Strauss ist tot«, sagte Walther unvermittelt.
Ihre Reaktion war bemerkenswert. Sie blickte abrupt hochund sah ihn aus weit aufgerissenen Augen an. »Aber … warum? Sie war doch noch jung …«
»Wir ermitteln in diesem Fall«, sagte Walther. »Ist Ihnen während Ihres Aufenthalts auf der Station irgendetwas aufgefallen, das mit Dr. Strauss zu tun hatte?«
Margot Lincke schüttelte heftig den Kopf. »Sie war beliebt, alle mochten sie gern. Mehr kann ich nicht sagen.«
»Wir müssen Ihnen trotzdem die Frage stellen, wo Sie am Abend des 17. Oktober gewesen sind.«
»Haben Sie einen Kalender?«
Berns nahm den Wandkalender herunter und legte ihn auf den Tisch. Die junge Frau fuhr mit dem Finger die Daten nach und überlegte. »Da war ich zu Hause. Mir ging es noch schlecht. Und mein Mann hatte Frühschicht.«
»Er kann also bestätigen, dass Sie zu Hause waren?«
Margot Lincke nickte. Mehr war nicht aus ihr herauszubringen.
»Es tut mir leid, Herr Kommissar«, sagte Sonnenschein, während Leo die Treppe hinaufstürmte. »Ich hätte Sie da nicht hineinziehen sollen. Sie sind meinetwegen mitgegangen …«
Leo sagte schroff: »Nein, Sonnenschein, das bin ich nicht. Ich wollte mir das mit eigenen Augen ansehen.«
Sonnenschein wandte sich ab. »Ach so.«
»Was glauben Sie, was die Zeitungen in den nächsten Tagen über die Polizei schreiben werden? Brutale Schläger, untätige Beamte, wie soll die Bevölkerung einem da vertrauen?« Leo seufzte.
Er wollte gerade ins Vorzimmer treten, als sich die Tür nebenan öffnete und Robert Walther auf den Flur trat. »Wo bist du gewesen? Von Malchow macht einen gewaltigen Aufstand von wegen Pflichtversäumnis, Vernachlässigung deiner Aufgaben –«
Leo platzte der Kragen. »Von Malchow soll sich dahin scheren, wo der Pfeffer wächst.« Dann berichtete er kurz, was sie erlebt hatten.
»Ist das dein Ernst? Die haben diese jüdischen Frontkämpfer mitgenommen und geschlagen?«
»Ich habe es selbst gesehen.«
»Das gibt eine schlechte Presse. Noch schlechter als die, mit der du laut von Malchow zu rechnen hast.«
»Wieso?«
»Weil du den Fall Strauss vernachlässigst.«
»Seit wann interessiert sich die Presse für eine tote Ärztin?«
Walther verschwand in seinem Büro und kam mit der ›Morgenpost‹ zurück. »Seit dem hier.«
Es war die aktuelle Ausgabe. Die Schlagzeile lautete:
Ärztin vergiftet –
Wer tötete den Engel der Frauen?
19
Grete Meyer sah Alice Vollnhals trotzig an. »Hast du vorher auch nur ein Wort davon in der Zeitung gelesen? Dabei ist Jette schon seit zwei Wochen tot. Normalerweise steht jede Mordgeschichte groß in der Zeitung. Jeder kleine Skandal wird aufgebauscht, und wenn eine Frau wie sie –«
Alice warf die Zeitung aufs Sofa und fuhr sich durch die Haare. »Meinst du, das war der richtige Weg? Soll denn jetzt auch Jette zum Skandal werden? Wir wissen doch gar nicht, wer es getan hat. Und die Polizei hat sich nicht mehr bei uns gemeldet.«
»Eben. Wir
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