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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Centerfoto im ›Playboy‹.«
    Kate war nicht bereit, sich durch den ›Playboy‹ ablenken zu lassen. »Aber darüber beschweren sich alle Studenten an allen Universitäten. Wer nicht auf der Welle seines Jahrgangs mitreitet, ist einsam und isoliert – es sei denn, er ist ein Genie, sehr reich oder sehr selbstsicher. Was ist anders in Harvard?«
    »Hier ist niemand glücklich«, warf einer der Jungen ein.
    » ›Das Glück ist flüchtig wie der Wind, das Interessante jedoch bleibt.‹ Georgia O’Keeffe hat das gesagt. Und Georgia O’Keeffe wird schließlich von jedermann bewundert, sogar von Joan Didion«, fügte Kate hinzu, sich an den ›Times‹ – Artikel erinnernd, aus dem Sylvia ihr vorgelesen hatte.
    »Hab ich es euch nicht gesagt, daß sie ständig mit Zitaten um sich wirft!« sagte Leighton triumphierend. »Aber in letzter Zeit hat das nachgelassen«, fügte sie an Kate gewandt hinzu. »Leo sagt auch, du hättest dich verändert.«
    »Neffen und Nichten glauben immer, daß man sich verändert hat, was aber nicht stimmt. Sie sind es, die sich verändern: sie werden erwachsen. Aber ich gebe es zu, ich zitiere weniger. Es scheint einfach nicht mehr so viele passende Zitate zu geben, zumindest nicht bei den Autoren, die ich mit meiner Establishmentbildung lese. Aber wo wir gerade darüber sprechen«, sagte Kate, »eins fällt mir doch ein.« Sie warf Leighton einen maliziösen Blick zu.
    »Dann los, wenn du dich nicht bremsen kannst«, sagte Leighton mit gespielter Verzweiflung. »Ich hab die andern ja vorgewarnt.«
    »Nun, in ›Die Gesandten‹ sagt Strether über eine andere Figur, was ich auch über dich sagen könnte, Leighton: ›Du bist meine Jugend, denn in meiner Jugend war nie etwas jung.‹ Janet Mandelbaum jedoch«, fuhr Kate fort, sich auf ihre Aufgabe besinnend, »wäre anderer Meinung gewesen. Hat jemand von euch sie gekannt?«
    »Ich kannte sie«, antwortete ein junger Mann (ich muß aufhören, immer noch Jungen und Mädchen in ihnen zu sehen, dachte Kate).
    »Ich beschäftige mich mit Simone Weil und interessiere mich deshalb auch für Herbert. Professor Mandelbaum war mir da sehr hilfreich, obwohl sie natürlich immer in die Luft ging, wenn man Herbert mit Zeitgenössischem zusammenbrachte. Trotzdem, sie erklärte seine religiösen Auffassungen so gut, daß einem Simone Weil viel verständlicher wurde. Ich war ihr dankbar.«
    83

    »Wie war sie?« fragte Kate.
    »Sehr sachlich, nicht so persönlich wie so viele der jüngeren Profs. Sie nannte mich nie beim Vornamen, und mir wäre im Traum nicht eingefallen, sie etwa Janet zu nennen. Ich weiß, das sagt weiter nichts aus. Aber trotzdem – bei all ihrer würdevollen Art und Reser-viertheit hatte ich immer das Gefühl, daß sie sich freute, mich zu sehen.«
    »Wußten Sie, warum?«
    »Ja«, sagte der junge Mann und bewies, daß man immer noch Köpfchen brauchte, um es bis Harvard zu schaffen. »Mit mir hatte sie nicht das Problem, das sie mit den Studentinnen hatte: Ich wollte keine Unterstützung von ihr als Frau. Außerdem war ihr Kurs für mich nicht nur eine Pflichtübung, ich interessiere mich wirklich für das siebzehnte Jahrhundert, wenn auch nur im Zusammenhang mit Simone Weil. Mein Hauptfach ist Theologie, und das gefiel ihr. Und ihr gefiel wohl auch, daß ich sie behandelte, als…« Der junge Mann zögerte.
    »… wäre sie ein Mann«, beendete Kate den Satz für ihn.
    »Ja«, sagte er. »So war es wohl. Sie hatte etwas dagegen, sich immer nur als Frau zu sehen. Ich meine natürlich nicht…«
    »Ich weiß genau, was Sie meinen. Sexuell, physisch und psy-chisch betrachtete sie sich natürlich nicht als Mann: das ist Freudscher Unsinn. Aber sie empfand sich als vollwertiges Mitglied der Bruderschaft der Professoren. Das war es. Und wissen Sie«, fügte Kate traurig hinzu, »ich glaube, das hat sie das Leben gekostet.«
    »Judith kannte sie auch«, warf Leighton ein, um die Stille, die plötzlich eingetreten war, zu durchbrechen. »Ich hab sie an den Haaren herzerren müssen, damit du mit ihr reden kannst. Denn wenn Judith nicht gerade die Reporterin spielt, ist sie total schüchtern.«
    »Ich arbeite für den ›Independent‹«, sagte Judith.
    »Eine Zeitung?« bemerkte Kate ein wenig töricht.
    »Ja. Die Wert darauf legt, nicht so arrogant aufzutreten, nicht so typisch Harvard, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Ich werde sie mir beschaffen«, sagte Kate. »Es ist nicht leicht, sich in so kurzer Zeit einen Überblick über

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