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Die Tote

Die Tote

Titel: Die Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion
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abstanden, was ihr einen wirren Ausdruck verlieh.
    »Ich hab mir ja schon den Kopf zerbrochen, aber mir fällt einfach nichts ein. Ich … ich finde, sie war wie immer.«
    Charlotte stand auf. »Wir werden die Ermittlungen aufnehmen und Sie sofort benachrichtigen, wenn es etwas Neues gibt. Haben Sie jemanden, der sich um Sie kümmern kann, damit Sie jetzt nicht allein sind?«
    »Ja, meine Mutter. Sie wohnt in Dortmund, aber sie ist schon unterwegs.«
    »Gut«, sagte Charlotte. Sie führte Frau Wildner zur Tür. »Wir nehmen jetzt noch schnell alle wichtigen Daten auf, dann bringt mein Kollege Sie nach Hause.«
    Obwohl ihre Kollegen nur abwinkten und der Meinung waren, dass das Mädchen von ganz allein wieder auftauchen würde – das taten die Mädchen ja Gott sei Dank meistens –, setzte Charlotte alle Hebel in Bewegung, um Alina Wildner zu finden. Gemeinsam mit Maren hatte sie die Freundinnen der Vermissten befragt und die Lehrerin. Sie alle waren erschüttert und hatten keine Ahnung, wo Alina sich aufhielt. Jedenfalls sagten sie das. Den Mitschülerinnen hatte Charlotte sogar geglaubt.
    Bei ihrer besten Freundin allerdings, einer hübschen, schüchternen Brünetten mit großen dunklen Augen, war sie nicht so sicher. Die hatte einen ziemlich nervösen Eindruck gemacht. Aber vielleicht hatte das auch daran gelegen, dass ihre Mutter, eine misanthropische Matrone, das Mädchen während der Befragung keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte. Die Lehrerin war völlig außer sich gewesen, denn Alina sei noch recht unreif für ihre sechzehn Jahre, hatte sie gesagt, und ziemlich naiv. Man konnte nur hoffen, dass sie nicht einem dieser Sexualverbrecher in die Hände gefallen war, von denen man ja immerzu hörte.
    Alina Wildners Vater hatten sie in seinem Zimmer in einer   WG   in der Limmerstraße angetroffen. Er hatte ziemlich aggressiv reagiert. Bei ihm sei kein Geld zu holen, das sollte die Tussi doch mittlerweile mitgekriegt haben. Und sein Kind habe er noch nie gesehen, er sei auch nicht scharf drauf, wüsste nicht mal, wie der Junge aussähe. Auf den Hinweis, dass es sich um seine Tochter handele, guckte er nur verdutzt. »Dann eben Tochter«, hatte er gesagt und den beiden Frauen die Tür vor der Nase zugeschlagen.
    Jedenfalls waren die Befragungen ergebnislos verlaufen. Die Telefonliste war in Arbeit, würde aber noch dauern, und sie konnten weiter nichts tun als hoffen, dass das Mädchen unversehrt wieder auftauchte.
    Es war acht Uhr am Abend. Charlotte saß, den Kopf in die linke Hand gestützt, die rechte rührte mit der Maus auf der Tischplatte herum, an ihrem Schreibtisch und starrte auf den Bildschirm, der ihr nichts zu erzählen hatte. Aber sie hatte keine Lust, nach Hause zu fahren.
    Dort erwarteten sie ihre Mutter und ein gelangweilter, genervter Rüdiger. Genervt war sie selber, das konnte sie heute Abend von niemand anderem gebrauchen. Vielleicht sollte sie noch auf einen Sprung bei ihrer Freundin Miriam vorbeischauen. Die war wahrscheinlich zu Hause. Sie war vor drei Jahren Mutter geworden und arbeitete seit Kurzem ein paar Stunden täglich in einem Versicherungsbüro. Seitdem verbrachte sie ihre Abende am liebsten daheim vor der Glotze, alles andere strengte sie zu sehr an, wegen der Dreifachbelastung. Kind, Haushalt, Arbeit.
    Aber Charlotte wusste, dass den größten Teil ihrer Kraft der dreijährige Dominic verzehrte, der, wenn er nicht irgendwelchen Unsinn anstellte, entweder krank war oder schlief. Und Lukas, ihr Mann und Vater des Sprösslings, verzog sich regelmäßig mit der Frankfurter Allgemeinen in sein Büro. Er versuchte nämlich, mittels cleverer Geldanlagen reich zu werden, und hoffte wohl, dass durch die intensive Lektüre der   FAZ   die Euros ganz von selbst den Weg auf sein Bankkonto finden würden.
    Der Besuch bei ihrer Freundin war, wie üblich in den letzten Jahren, recht kurz ausgefallen. Manchmal fragte sich Charlotte, warum Menschen sich unbedingt vermehren wollten – sie selbst nahm sich da nicht aus. Kinder waren doch eine rechte Plage. Jedenfalls war das die Erfahrung, die sie bisher mit Kindern gemacht hatte. Natürlich waren das alles nicht ihre eigenen gewesen. Ihr Neffe hatte die Geduld seiner Tante bei den seltenen Familientreffen oft bis an die Schmerzgrenze strapaziert, und Charlotte bewunderte ihre Schwester Andrea für die Leistung, dieses Monster allein großgezogen zu haben.
    Wobei man in diesem Fall nicht von Erziehung reden konnte. Was immer das

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