Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Köters. Molly1, Molly2 und so weiter. Inzwischen war er bei Molly14 angelangt. Das System akzeptierte die Eingabe, und schon war sie drin. Ständig wurden Sicherheitsdiskussionen geführt und neue Richtlinien erstellt, und ihr war schleierhaft, warum niemand dafür sorgte, dass die Passwörter dynamisch waren und regelmäßig ganz ausgetauscht wurden. Dennoch würde sie natürlich einen Teufel tun, auf diese Lücken im System hinzuweisen. Jetzt fühlte sie sich draufgängerisch und lebendig, sie liebte diesen Moment, wenn sie die Suchfunktion aufrief.
Es gab zwei Ergebnisse zu Hamid Khan und Said Balkhi. Das erste war ein Protokoll der Polizei in Solna, das bestätigte, dass die beiden seit dem 3. August 2003 unauffindbar waren und es dem Migrationswerk zufolge Grund zu der Annahme gab, dass sie wegen der drohenden Abschiebung untergetaucht seien, eine sogenannte «unkontrollierte Ausreise» also. Der Polizeibericht endete mit den persönlichen Daten der beiden Männer. An sich nichts Ungewöhnliches. Da nichts über eventuelle Ergebnisse einer Suche nach den beiden vermerkt war, konnte Anitha nicht erkennen, welcher Aufwand tatsächlich betrieben worden war, um die beiden Männer zu finden. Der zweite Treffer war interessanter. Diese Datei war rund eine Woche später der anderen hinzugefügt worden und verwies darauf, dass der Nachrichtendienst den Fall übernommen hatte.
Das war alles.
Anitha versuchte, die dazugehörige Datei zu öffnen, um zu sehen, ob sie weitere Informationen enthielt, doch der Zugriff wurde ihr verwehrt. Sie erstarrte und sah sich um. Offenbar war sie noch immer allein im Büro, aber sicherheitshalber ging sie dennoch zur Tür und lauschte. Doch das Gebäude lag weiterhin still und verlassen da. Anitha setzte sich wieder und konzentrierte sich auf den Bildschirm. An der Sache war etwas faul. Laut Vorschrift müsste wenigstens der Name einer Kontaktperson angegeben sein, auch wenn die eigentliche Information über den Fall der Geheimhaltung unterlag oder in anderer Weise als heikel eingestuft worden war. Hier gab es jedoch keinerlei Verweise auf irgendjemanden. Das verstieß eklatant gegen die Regeln, denn das System war so angelegt, dass alles klar ersichtlich und nachvollziehbar sein sollte, wenn man die entsprechende Zugangsberechtigung besaß. Es musste immer möglich sein, eventuelle Anfragen weiterzuleiten. Aber gerade in diesem Fall konnte man es nicht. Da Anitha die Vorgehensweise der Säpo nicht in allen Einzelheiten kannte, konnte es allerdings auch eine harmlose Erklärung dafür geben. Oder aber eine Erklärung ganz anderer Art, und das erschien Anitha am wahrscheinlichsten:
Sie hatten etwas zu verbergen.
Kein Wunder also, dass Herr Nachgeforscht interessiert war.
Sie ging wieder ins Hauptmenü. Fragte sicherheitshalber die Personennummern der beiden Männer ab, sowohl einzeln als auch zusammen, um zu sehen, ob es irgendwelche Anmerkungen über sie gab. Aber das war nicht der Fall, es tauchten dieselben Dateien auf wie zuvor. Sie grübelte. Um weiterrecherchieren zu können, musste sie mehr wissen. Also notierte sie zunächst die Telefonnummer der zuständigen Beamtin bei der Polizei in Solna. Eine Kommissarin namens Eva Gransäter. Vermutlich würde auch sie nicht helfen können, und Anitha war sich unsicher, wie sie die Kommissarin kontaktieren sollte. Aber sie wollte sorgfältig vorgehen, vor allem, wenn es so wenig Anhaltspunkte gab.
Als sie sich gerade wieder ausloggen wollte, fiel ihr ein, dass es doch noch eine Sache gab, der sie nachgehen konnte. Das Datum der einzelnen Eintragungen. Vielleicht käme dabei etwas heraus. Das System war so aufgebaut, dass jede Aktualisierung oder Ergänzung automatisch mit Datum und Uhrzeit registriert wurde. Vielleicht war es umgekehrt genauso – wenn etwas gelöscht wurde. Die Sache war es wert, untersucht zu werden.
Anitha ging mit dem Cursor auf die zweite Eintragung und klickte das Datum zweimal an. Ein kleines weißes Fenster mit einigen Ziffern tauchte auf dem Bildschirm auf. Sie las es blitzschnell durch und grinste. Was war sie doch raffiniert. Sollten die anderen sie ruhig wie den letzten Dreck behandeln. Wenn es wirklich darauf ankam, fand sie alles, was andere zu verbergen versuchten.
Die zweite Datei, die am 12. August 2003 erstellt worden war und beinhaltete, dass die Säpo den Fall übernommen hatte, war erst vor einem Tag verändert worden.
Was man entfernt hatte, war nicht ersichtlich.
Auch nicht, wer es getan
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