Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
hindurchzukreuzen. Aber das war nicht das Schlimmste. Billy hatte schon wieder das Signal des Handys verloren. Torkel wurde allmählich nervös.
«Wo ist es zuletzt gewesen?», fragte er gereizt.
«Auf der E20, aber vermutlich ist das Handy jetzt ausgestellt, oder sie befinden sich in einem Gebiet mit schlechtem Empfang. Ich weiß es nicht.»
«Verdammt», fluchte Torkel.
Natürlich war das nicht Billys Schuld. Trotzdem war es eine Katastrophe, so dicht dran zu sein und dann die Spur zu verlieren. Nachdem sie den Stau hinter sich gelassen hatten, beschleunigte Jennifer erneut. Sie sah Torkel unsicher an.
«Wo soll ich denn jetzt hinfahren?»
«Bleib weiter auf der E20. Da war er zuletzt.» Torkel wandte sich wieder Billy zu. «Gib mir mal eine Karte und zeig mir, wo er genau war, ehe du ihn verloren hast.»
Billy drehte ihm den Bildschirm zu und zeigte auf die Stelle. Torkel warf einen schnellen Blick darauf.
«Wenn das Handy aus ist und sie auf der E20 weitergefahren sind, können wir es vergessen. Wir müssen darauf setzen, dass sie abgebogen sind.»
Billy konnte seinem Gedankengang folgen. «Gut. Aber sollen wir denn einfach raten, wo sie hingefahren sein könnten?»
«Almnäs liegt doch da irgendwo», sagte Jennifer, ohne die Straße aus den Augen zu lassen. «Wo Charles seinen Wehrdienst abgeleistet hat», verdeutlichte sie.
Torkel nickte und studierte erneut die Karte. Wald, Seen und einige Ortsnamen. Almnäs. Nur wenige Kilometer von dem Punkt entfernt, den Billy ihm gerade gezeigt hatte.
«Das könnte stimmen», rief Billy aufgeregt. «Es ist die beste Spur, die wir haben.»
«Ruf einen Helikopter», sagte Torkel. «Das ist ein großes Gebiet. Wir brauchen Hilfe aus der Luft.»
«Mache ich sofort», erwiderte Billy und nahm sein Handy.
Sein Blick war weiterhin auf den Bildschirm gerichtet. Noch immer kein blauer Punkt, der ihnen die Position des Handys anzeigte. Jetzt konnten sie nur hoffen, dass sie richtig geraten hatten und rechtzeitig vor Ort wären.
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M ehran hörte die beiden Schüsse und hechtete in einen matschigen Graben, um Schutz zu suchen. Erst dachte er, sie wären gegen ihn gerichtet gewesen, aber als er vorsichtig seinen Kopf herausstreckte, sah er zwischen Gras und Gestrüpp einen unbekannten Mann mit entschiedenen Schritten im letzten Dämmerlicht in seine Richtung eilen. Er trug dunkle Kleidung, hatte kurz geschnittenes, blondes Haar und wirkte durchtrainiert. Ein Schwede, vermutete Mehran. Jemand, den er noch nie gesehen hatte. Der Mann hielt etwas in der Hand. Sicher eine Pistole. Vorsichtig reckte Mehran sich erneut ein wenig und sah zum Vorplatz hinüber. Dort lag Josephs regloser und merkwürdig verrenkter Körper neben dem schwarzen Wagen.
Panisch zog Mehran sich wieder in den Graben zurück. Ihm wurde kalt auf dem feuchten Lehm, doch das kümmerte ihn nicht. Er hatte Wichtigeres im Kopf. Er musste von hier wegkommen. Schnell. In einiger Entfernung konnte er ein Gehölz aus Laubbäumen erahnen, und nach weiteren fünfzig Metern begann ein richtiger Wald. Dort musste er hin. Von dieser offenen Fläche wegkommen und zwischen die Bäume flüchten, zwischen denen man sich besser verstecken konnte. Es war seine einzige Chance. Er wagte es nicht, noch einmal nach dem herannahenden Mann zu sehen. Stattdessen begann er, auf den Wald zuzurobben. Er hoffte, dass er auf diese Weise nahe genug herankäme, ehe er den Graben verlassen musste. Das Wasser war schlammig und stank, und dort, wo der Boden nicht feucht war, wuchs langes, hartes Schilfgras, das ihn am Vorwärtskommen hinderte. Er fand keinen rechten Halt und glitt mit den Schuhen im Lehm immer wieder aus. Mit jedem Dezimeter, den er sich vorankämpfte, wurde er müder. Und plötzlich begriff er, dass er sich nicht zu schnell bewegen durfte, denn dann würden ihn die langen Grashalme mit ihren Bewegungen verraten. Er saß in einer Falle. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde der Mann am Graben angekommen sein, ehe Mehran den Wald erreicht hatte. Er würde dort im Lehm und Dreck liegen, und der Mann würde ihn sehen. Wenn er entkommen wollte, musste er ein größeres Risiko eingehen. Er musste sich aufrichten und rennen. So schnell er konnte. Er musste hoffen, dass es eine Weile dauerte, ehe der Mann ihn in der Dämmerung entdeckte. Er reckte sich ein wenig und bereitete sich darauf vor, den Graben zu verlassen. Da hörte er den Mann rufen. Er war viel näher, als Mehran gedacht hatte. Und was noch
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