Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
Vom Netzwerk:
und winkte mit etwas in seiner behandschuhten Hand.
    – Madame Poirot, sagte er, Sie sollten vielleicht das hier sehen, bevor Sie gehen.
    Martine betrachtete das durchsichtige Cellophankuvert, das er ihr hinstreckte. Darin war ein Foto, das aussah, als sei es aus einer Zeitung ausgeschnitten. Martine erkannte es – das war sie selbst auf der Treppe des Justizpalastes. Es war ein Bild, das sie haßte. Sie hatte zerzauste Haare und sah wütend aus, und außerdem war es in einem Winkel aufgenommen, der ihre Nase länger aussehen ließ als gewöhnlich. So wollte sie sich selbst absolut nicht sehen. Aber das Foto war in vielen Zeitungen gewesen.
    – Wie ist das hergekommen? sagte sie.
    Der Mann von der Spurensicherung – wie hieß er noch gleich, Marc irgendwas – sah sie um Entschuldigung bittend an.
    – Es lag hier am Tatort, sagte er, ins Gras getrampelt. Es sind ein paar Fusseln daran, also ist es vermutlich aus einer Tasche gefallen. Sie … hrm … Sie haben es wohl nicht verloren, Madame?
    – Nein, wirklich nicht, fauchte Martine.
    Was glaubte er? Daß sie mit ihrem persönlichen Ausschnittarchiv in den Taschen herumlief?
    Aber jemand hatte ein Foto von ihr an dem Ort verloren, wo ein dreifacher Mord stattgefunden hatte. Oder es absichtlich zurückgelassen? Das war ein ziemlich beunruhigender Gedanke.

    Givray bestand aus einer Durchgangsstraße, gesäumt von altertümlichen Steinhäusern, einer Kirche aus dem dreizehnten Jahrhundert und nicht sehr viel mehr. Die Straßenbeleuchtung war ausgeschaltet, und die Kühe, die auf den Feldern um das Dorf weideten, waren nur als ein Geruch nach Stall und schwarze Schatten im Nachtdunkel zu ahnen. Jenseits des Dorfes, ein paar Kilometer weiterentlang der Straße, wurde der Himmel von dem orangefarbenen Licht über dem Walzwerk und den Öfen von Forvil erleuchtet.
    Die Bar, die nachts offen hatte, war ein fahl beleuchtetes Lokal mit einer Bartheke und vier klapperigen Tischen mit galonbezogenen Stühlen. An der Bar saßen drei Männer, in eine lebhafte Diskussion über die Chancen der belgischen Mannschaft im Spiel des Abends gegen Holland bei der Fußball-WM vertieft.
    Martine, Julie und Christian ließen sich an einem Tisch ganz hinten im Lokal nieder und bestellten jeder einen großen Kaffee. Es war zumindest schön, eine Weile in die Wärme zu kommen.
    – Na ja, sagte Christian, »der größte Ermittlungseinsatz in der Geschichte Villettes« wird es bestimmt. Wir müssen im Prinzip jeden Polizisten am Justizpalast loseisen, um die Stadt auf der Jagd nach Zeugen zu durchkämmen, bevor die Spur erkaltet ist.
    – Als wir gingen, hat Clara Carvalho angefangen, die hohen Tiere anzurufen, damit die beschließen, daß jeder Urlaub abgesagt wird, sagte Julie.
    – Carvalho, sagte Christian und runzelte die Stirn, bedarf es nicht einer Person mit etwas größerem Gewicht, um effektiv etwas auszurichten?
    – Oh, sagte Martine und unterdrückte ein Gähnen, die drei toten Mädchen wiegen wohl hinreichend schwer, damit alle den Ernst der Situation erkennen. Aber es ist offensichtlich, was wir machen müssen, oder? Rausfinden, ob die Mädchen mit dem Bus gekommen sind, und wenn nicht, ob sie jemand an der Bushaltestelle gesehen hat und weiß, wie sie nach Hause kommen wollten. Mit allen reden, die entlang der Straße wohnen, und fragen, ob sie im Laufe desAbends Autos oder andere Fahrzeuge gesehen haben. Rausfinden, mit wem Sabrina nach der Prozession Kontakt hatte, es ist vielleicht das beste, mit denen anzufangen, die mit auf dem Salome-Wagen waren. Die Leute finden, mit denen die Mädchen im La Cave du Cardinal gesprochen haben. Und unsere Freunde Gregory und Freddy ein bißchen genauer angucken, wir können ja nicht davon ausgehen, daß sie unschuldig sind …
    Christian nickte bei jedem Punkt, den sie aufzählte. Martine war froh, daß er es war, der Dienst hatte. Er war effektiv und bescheiden, und es war leicht, mit ihm zusammenzuarbeiten, was man von einigen der anderen Kriminalkommissare am Justizpalast nicht sagen konnte.
    – Ein oder mehrere Täter, sagte er, wenn wir ein bißchen spekulieren, was sollen wir glauben?
    Martine hatte darüber nachgedacht. Hätte ein einzelner Mörder drei Teenager übermannen können? Vielleicht, wenn es ihm gelungen wäre, sie zu überrumpeln. Aber sie sah ein anderes Szenario vor sich. Gregory und Freddy holen die Mädchen ein, die auf dem Heimweg sind, nachdem sie den Bus verpaßt und sich am Fluß niedergelassen haben, um eine

Weitere Kostenlose Bücher