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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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ohne Jacke loszufahren. Sie sah neidisch Julie an, die über ihrem gelben Kleid eine Strickjacke hatte.
    Julie stand da und sah zu dem Wagen, in dem sie Gregory zurückgelassen hatten.
    – Da steht jemand und redet mit Gregory, sagte sie, ist die von der Polizei? Ich glaube nicht, daß ich sie kenne …
    Christian fluchte und ging auf das Auto zu, gefolgt von Martine und Julie. Die Frau, die, den Kopf halb im Wagen, dagestanden hatte, unterbrach das Gespräch und ging ihnen mit schnellen Schritten, Notizbuch und Stift gezückt, entgegen.
    – Hallo, sagte sie, ich komme von der Gazette de Villette, Nathalie Bonnaire.
    Sie war jung und schmächtig, mit kurzgeschnittenen dunklen Haaren und großen braunen Augen. Martine kannte sie nicht.
    – Neu bei der Zeitung? fragte sie.
    – Mmm, sagte Nathalie Bonnaire, ich bin im Moment Sommervertretung und Abendreporter. Ich kenne Sie selbstverständlich, Madame Poirot. Kann ich einen Kommentar zu den Morden bekommen, die hier heute abend stattgefunden haben? Ich habe schon von Gregory Vincent gehört, wie viele Tote es sind und wer sie sind.
    – Aber Sie sind doch schon in Druck gegangen? sagte Martine, und die junge Reporterin lächelte ein jungmädchenliebliches Lächeln, das Martine keinen Augenblick täuschte.
    – Für eine solche Sache können wir schon eine Extrausgabe machen, sagte sie, also, bekomme ich einen Kommentar, oder soll ich einfach die Story von vorn bis hinten bringen?
    Martine überlegte rasch.
    – Ich kann bestätigen, daß drei junge Frauen tot sind und daß es sich um verdächtige Todesfälle handelt, sagte sie. Wir beginnen jetzt einen umfassenden Ermittlungseinsatz unter der Leitung von Kommissar de Jonge. Das ist alles, was ich im Augenblick sagen kann. Und ich würde empfehlen, daß Sie die Namen nicht publizieren, die Angehörigen sind noch nicht unterrichtet.
    Nathalie Bonnaire betrachtete sie abwartend.
    – Was habe ich davon? fragte sie. Im Moment bin ich die erste mit der Story, aber morgen werden alle die Namen haben. Und wir erscheinen nicht mal am Sonntag!
    – Keine Versprechen, aber ich werde mich an Sie erinnern, wenn Sie sich mit den Namen zurückhalten, sagte Martine. Ach ja, und wenn Sie es nicht tun, werde ich mich auch an Sie erinnern.
    – Kann ich wenigstens sagen »der größte Ermittlungseinsatz in der Geschichte Villettes«? Das klingt knalliger, sagte die Reporterin.
    Martine sah Christian fragend an.
    – Ja, zum Teufel, sagte er, ich weiß nicht, was größer war, als das hier werden wird.
    – Okay, sagte Nathalie Bonnaire, schlug ihren Block zu und ging zu einem Auto, das hundert Meter von den Polizeiwagen an der Bankette geparkt war.
    – Ja, jetzt geht es los, sagte Christian. Wenn wir das hier nicht blitzschnell lösen, werden wir in Kleinteile zerlegt werden, von den Medien und jedem kleinen Potentaten in Villette, der punkten will, indem er die Polizei kritisiert.
    Martine fröstelte. Sie konnte nicht anders als an ihr größtes Scheitern als Untersuchungsrichterin zu denken, das bis jetzt ungelöste Verschwinden der beiden Geschwister Choffray im Dezember 1992. Sie hatte ihre Seele in diese Untersuchung gelegt, mit den Eltern gelitten und fand selbst, daß sie alles getan hatte, was getan werden konnte. Aber Audrey und Kevin Choffray waren nicht gefunden worden, und ihre Eltern wurden mit jedem Monat, der verging, immer gehässiger in ihrer Kritik daran, wie sie den Fall handhabte. Laut Sylvie Choffray war Martine nicht nur eine nachlässige Beamtin, sondern auch eine widernatürliche Frau, die sich bei der Untersuchung nicht ausreichend engagieren konnte, weil sie keine eigenen Kinder hatte und nicht verstand, wie sich Audreys und Kevins Eltern fühlten.
    So etwas wollte sie nicht noch einmal erleben.
    – Was machen wir jetzt? fragte sie, wir müssen wohl nach Givray fahren und so schnell wie möglich mit den Eltern reden. Aber ich würde mich gern irgendwo mit euch hinsetzen, damit wir uns abstimmen können, wo wir stehen, ohne gleich zum Palast reinzufahren.
    – In Givray gibt es eine Bar, die nachts offen hat, glaube ich, sagte Julie. Da wohnen viele Schichtarbeiter, die einen komischen Tagesrhythmus haben. Wir könnten uns vielleicht da eine Weile hinsetzen.
    – Gute Idee, sagte Christian. Wir können vielleicht alle mit einem Auto nach Givray fahren.
    Sie waren auf dem Weg zu den Autos, als jemand von jenseits der Absperrung nach ihnen rief. Ein Mann von der Spurensicherung stand im Licht der Scheinwerfer

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