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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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Farben standen in effektvollem Kontrast zum hellen Stein der Kathedrale. Im Zentrum des Bildes befand sich Isabelle Maret, die aus Villette gebürtige Opernballerina, die dieses Jahr die Rolle der Salome hatte spielen dürfen, eingefangen in einer Pose mit den Armen über dem Kopf. Sie sah straff und konzentriert aus. Neben ihr war Sabrina Deleuze zu sehen, mit den Händen in den Seiten und fliegenden goldenen Haaren.
    – Sie hat die Kameras auf sich gezogen, sagte Jacques Martin, ja, Sie haben es ja natürlich heute morgen im Fernsehen gesehen. Sie liebte es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein, das sieht man auf allen Bildern, sie gefiel allen. Und ich fand, daß der Kontrast zwischen den beiden Frauen interessant war.
    Das nächste Bild, auf das Martine zeigte, schien von weitem mit dem Teleobjektiv aufgenommen zu sein und zeigte Sabrina, lachend und siegesgewiß, im Zentrum einer Gruppe Menschen, die sich um sie drängten. Da waren sowohl Jugendliche in ihrem eigenen Alter als auch bedeutend ältere Personen, einige von ihnen mit Kameras und Mikrofonen.
    – Wissen Sie, wer diese Personen sind? fragte Martine.
    – Es gab einen kleinen Ansturm auf sie, sagte Jacques Martin, sie hielt da fast eine Pressekonferenz. Die hier, er zeigte auf ein grauhaariges Paar, waren amerikanische Touristen, glaube ich. Und hier haben Sie den BBC-Reporter David George, vielleicht haben Sie seine zwanzig Sekunden mit ihr heute morgen im Fernsehen gesehen.
    Auf dem nächsten Bild wurde Sabrina von ein paar gleichaltrigen Mädchen umarmt. Die eine hatte glatte, dunkle Haare und trug einen weißen Jeansrock. Peggy Bertrand, dachte Martine. Sie sah aus den Augenwinkeln den Fotografen an, um zu sehen, ob ihm bewußt war, daß er zwei der Mordopfer im Bild eingefangen hatte, aber er sagte nichts. Sie schaute das Bild genauer an. Am Rand waren noch ein dunkler Scheitel und runde Brillengläser zu sehen – Nadia Bertrand. Das Mädchen sah mürrisch aus, und ihr Blick war nicht auf Sabrina und Peggy gerichtet, sondern auf etwas jenseits der kleinen Menschenansammlung. In der Gruppe um Sabrina waren auch drei männliche Jugendliche zu sehen. Sie mußte herausfinden, ob jemand wußte, wer sie waren, dachte Martine.
    Auf dem vierten Bild stand Sabrina da und redete animiert mit einem blonden, schmächtigen Mann mit dunkler Sonnenbrille. Auf dem fünften Bild war Sabrina mit zwei Männern in den Fünfzigern zu sehen, beide mit Stift und Notizblock.
    – Erkennen Sie jemanden von denen hier? fragte Martine und zeigte auf die beiden Fotos. Sie selbst konnte einen von ihnen benennen. Sie hatte mit ihm erst vor ein paar Stunden gesprochen.
    – Nicht den mit der Sonnenbrille, sagte Jacques Martin, aber die Jungens auf diesem Bild kenne ich gut. Es sind zweiBrüsseler Korrespondenten, die nach Villette eingeladen waren. Nigel Richards und Francesco Marinelli.
    – Wissen Sie, warum sie da mit Sabrina reden? fragte Martine, gehört das zur Kulturhauptstadtreportage?
    Er lächelte.
    – Das Mädchen ist ja süß, und ein Statement von der lokalen Bevölkerung macht sich immer gut, wenn man schon zufällig über so einen Rummel schreibt. Und jetzt kam es ja sehr gelegen, wenn man zynisch sein will.
    Aber warum, fragte sich Martine, hatte Nigel Richards nichts davon erwähnt, daß er eines der Mordopfer interviewt hatte, als sie ihm früher an diesem Tag begegnet war? Sie mußte sich wirklich mit ihm in Verbindung setzen und fragen, was er auf der Place de la Cathédrale gesehen und gehört hatte.

    Das Telefon klingelte wieder, gerade als Jacques Martin durch die Tür verschwunden war. Agnes war mit dem Fotostapel in den zweiten Stock gegangen, deshalb hob Martine selbst ab. Es war Nathalie Bonnaire von der Gazette de Villette.
    – Sie haben versprochen, ein paar Fragen zu beantworten, sagte die Reporterin, und der Redaktionsschluß nähert sich …
    Martine dachte schnell. Sie mißbilligte im Prinzip das Zuspielen von Informationen an die Presse, aber im Augenblick hatte sie das Gefühl, daß es gut sein konnte, etwas durchsickern zu lassen, das für die Entscheidung, Jean-Pierre freizulassen, den Boden bereiten konnte.
    – Ich kann Ihnen einen Tip geben, sagte sie, Sie können sagen, er stammt von einer Quelle aus dem Umfeld der Ermittler, aber Sie dürfen mich absolut nicht zitieren.
    – Okay, sagte Nathalie Bonnaire erwartungsvoll, und worum geht es?
    Martine holte tief Luft.
    – Es hat sich herausgestellt, sagte sie, daß es auffallend

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