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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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Debaere. Sturmbannführer Degrelle, der Führer von Rex.
    Philippe dachte, daß er etwas fühlen sollte, als er das Bild ansah. Das hier war der Mann, der wahrscheinlich seine Mutter ins Konzentrationslager geschickt hatte. Aber alles war zu schnell gegangen. Bis vor zwanzig Minuten hatte er noch nie etwas von Maurice de Wachter gehört. Es war wie eine unerwartete Todesnachricht oder ein Verkehrsunfall – in der einen Minute lebt man sein Leben wie gewöhnlich, und im nächsten Augenblick passiert etwas, das alles verändert. Aber die Gefühle kommen nicht mit.
    – Kann ich eine Kopie des Bildes bekommen? fragte er.
    – Sicher, sagte Debaere.
    Aber wie war es mit dem Mord an Eric Janssens? Philippe hatte ihn in der letzten halben Stunde völlig vergessen, aber jetzt kam der Gedanke daran mit ganzer Kraft zurück. Hatte er sich geirrt, als er geglaubt hatte, der Mord habe im Zusammenhang mit Eric Janssens’ Suche nach der Wahrheit über seine Schwester gestanden? Was Giovanni Weiss ihm erzählt hatte, wies ja sehr deutlich darauf hin. Aber Maurice de Wachter war seit bald einem halben Jahrhundert tot und begraben.
    – Woran denken Sie, sagte Tim Debaere neugierig, Sie sehen aus, als trauten Sie der Sache nicht.
    Philippe zögerte.
    – Ja, sagte er, ich hatte die Absicht, Detektiv zu spielen, aber ich fürchte, Ihre Informationen haben mich in eine Sachgasse geführt.
    – Erzählen Sie, sagte Debaere, wir gehen runter und trinken eine Tasse Kaffee im Café, dann können Sie mir erklären, worum es geht.
    Seine Augen funkelten. Jetzt sah er eher aus wie ein Verwandter von Tim, verwegen darauf bedacht, sich auf neue Aufträge zu stürzen.
    Bei einem doppelten Espresso im Café im Erdgeschoß erzählte Philippe von dem Mord an Eric Janssens und von seinen eigenen Theorien. Er fragte sich plötzlich, warum sich Eric bei seiner Suche nach der Wahrheit nicht an die Forschung und die Archive gehalten hatte. Oder hatte er es?
    – Ich glaube nicht, sagte Tim Debaere, aber ich kann mich sicherheitshalber bei ein paar Kollegen umhören. Und die Archive der Militärgerichte können Sie vergessen, die einzigen Privatpersonen, die da Zugang haben, sind die Angehörigen der Verurteilten. Nein, Ihr Freund scheint es statt dessen über persönliche Erinnerungen und Kontakte versucht zu haben.
    – Sie haben gesagt, daß de Wachter einen Sohn hatte, sagte Philippe.
    – Habe ich das? sagte Debaere erstaunt.
    – Ja, Sie haben gesagt, daß der Sohn mit im Auto war, als er 1944 beschossen wurde.
    – Ja, stimmt, sagte Debaere, davon weiß ich nicht viel. Denken Sie, der Sohn kann etwas mit dem Mord zu tun haben?
    – Ich weiß nicht, was ich denke, seufzte Philippe, ich greife nach Strohhalmen. Aber warum sollte der Sohn darinverwickelt sein? Doch nicht, um zu verbergen, daß sein Vater als Kollaborateur hingerichtet wurde, das war kein Geheimnis, das stand ja in der Zeitung. Übrigens, was passierte mit den Angehörigen der hingerichteten Kollaborateure? Einige von ihnen müssen doch Familie gehabt haben, vielleicht kleine Kinder?
    Er versuchte, sich das fremde Land vorzustellen, das das Belgien in der Jugend seiner Eltern gewesen war, eine erschreckend unbekannte Welt von Besetzung, Folter und Hinrichtungen, ein Land, wo Schulmädchen im Gefängnis mißhandelt und in Lager geschickt wurden, um zu sterben, und wo Verräter vor Exekutionskommandos gestellt wurden. Was für ein Gefühl war es gewesen, Kind derer zu sein, die für ihre Zusammenarbeit mit der Okkupationsmacht mit dem Tod bezahlen mußten?
    – Die meisten haben ihre Namen geändert, sagte Debaere, und haben wohl versucht, ihren Hintergrund zu verbergen. Aber haben Sie daran gedacht, daß es auch möglich ist, daß Raymond Janssens sich geirrt hat, daß es nicht de Wachter war, der seine Tochter angezeigt hat? Daß es jemand anders gibt, der ein Geheimnis hat, das es wert ist, dafür zu töten? Ich kann jedenfalls de Wachters Familie für Sie ein wenig unter die Lupe nehmen.
    – Wissen Sie, wo sie gewohnt haben, fragte Philippe, die Familien Janssens und de Wachters?
    – Sicher, sagte Debaere, ich erinnere mich an de Wachters Adresse. In Uccle, wie Sie wissen. Rue de l’Étoile Polaire, Nummer 6.

    Nathalie Bonnaire hatte mit Martines mageren Andeutungen über einen Zusammenhang mit dem Christelle-Mord Großes ausgerichtet. Ihr Artikel dominierte die ersteSeite der Gazette de Villette am Montag mit der Schlagzeile »Verdacht der Polizei: Christelles Mörder schlug

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