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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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hatte heute abend interessantere Gesellschaft.
    Martine sah ihn fragend an.
    – Deinen Freund Tony, sagte Thomas, sie hat da etwas laufen.
    Martine empfand tiefes Erstaunen, sie wußte nicht, warum. Vielleicht weil sie geglaubt hatte, es sei etwas zwischen Sophie und dem Fotografen, der mit den Bildern gekommen war. Vielleicht weil Tony zu dem Teil ihres Lebens gehörte, der mit den Eltern und Uccle und der Kindheit zusammenhing, den, den sie mit Philippe teilte. Thomas und dessen Familie gehörten in ein anderes Fach, und sie war nicht sicher, ob sie wollte, daß die beiden Teile zusammenkamen.
    – Ich fürchte, Sophie hat zuwenig Zeit für Tatia, sagte sie statt dessen, es ist ja immer noch eine Woche, bis sie anfängt zu arbeiten, und ich will nicht, daß sie hier herumläuft und sich langweilt.
    – Hör auf, dir Sorgen zu machen, Martine, sagte Tatia, die gerade mit dem Brotkorb kam, ich bin doch kein Kind,auf das man aufpassen muß! Und morgen soll ich übrigens mit Sophie losgehen und auf der Île St. Jean nach Drehorten schauen. Ich war heute nachmittag in Sophies Wohnung und habe nach meinem Koffer gesehen, da haben wir das beschlossen. Ja, und übermorgen, wenn dieser Fotograf sie für die Elle fotografiert, dann will sie, daß ich dabei bin und sie zurechtmache, versteht ihr, mein erster Stylistenjob! Vielleicht kommt mein Name in die Zeitung!
    Ihre Augen strahlten. In der Dämmerung leuchtete ihr blasses Gesicht magnolienweiß, und ihre dunkelroten Haare sahen schwarz aus. Sie war der jungen Renée auf dem kleinen quadratischen Foto aus dem Koffer so schmerzhaft ähnlich, daß Martine einen Stich im Herzen spürte. Aber Tatia schöpfte sich unbekümmert eine gigantische Portion Mousselinesauce auf ihren Spargel.
    – Ich nehme keinen Schinken, sagte sie, ich überlege, ob ich Vegetarierin werde, was haltet ihr davon? Bert würde natürlich verrückt werden, er ist ja inzwischen der schlimmste Gänseleberkönig. Aber die armen Gänse können einem tatsächlich furchtbar leid tun, wenn man liest, wie sie aufgezogen werden.
    Martine wünschte, Tatia hätte die Gänseleber nicht erwähnt. Das ließ sie an die Morduntersuchung denken, was ihre Muskeln in Nacken und Schultern sofort dazu brachte, sich wie hart gespannte Geigensaiten zusammenzuziehen. Sie stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte die Finger in den Nacken. Thomas betrachtete sie forschend.
    – Und wie war dein Tag, sagte er, der Himmel ist jedenfalls noch nicht heruntergefallen?
    Sie sehnte sich danach, mit ihm über den Fall zu sprechen, aber das konnte sie nicht machen, wenn Tatia dasaß. Eigentlich hatte sie auch nicht das Recht, mit Thomas überihre Ermittlungen zu reden, aber das tat sie trotzdem. Sein Forscherblick konnte ihr manchmal neue Perspektiven auf Probleme geben, bei denen sie festgefahren war, und sie wußte, daß er ihr Vertrauen nie enttäuschen würde.
    Aber nichts hinderte sie daran, von Jean-Pierre Santinis Manövrieren zu erzählen. Sie tat es und trug richtig dick auf, als sie beschrieb, wie er versuchte, sie von der Voruntersuchung abzuziehen, und wie irritiert er war, weil sie Jean-Pierre Wastia freigelassen hatte.
    Thomas wurde wütend. Das hatte sie zwar erwartet, aber es war trotzdem befriedigend, es zu sehen. Thomas wurde selten richtig böse. Als sie ihn kennenlernte, hatte er auf sie allzu kühl, ironisch und distanziert gewirkt, verglichen mit dem charmanten, machthungrigen und schlampigen Kerl, der damals viel zu viele Jahre lang ihr Liebhaber gewesen war. Erst als sie gesehen hatte, wie Thomas wegen einer Ungerechtigkeit richtig rasend wurde, hatte sie sich ernstlich verliebt. Was ihn an die Decke gehen ließ, waren alle Formen von Falschheit, Tyrannei und Verrat an dem, was er für wichtig hielt.
    – Dieser prinzipienlose kleine Politrukwurm! rief Thomas aus und haute die Gabel in einen Spargel, als wollte er ihn umbringen. Tatia betrachtete ihn fasziniert.
    – Er würde schwören, daß Schwarz Weiß ist, wenn ihm das seine verdammte Regionalunterstützung aus Brüssel verschaffen würde. Er hätte vermutlich diese armen ermordeten Mädchen am liebsten in eine Tiefkühltruhe gesteckt und den ganzen Mord vertuscht, um Villettes Chancen, Kulturhauptstadt zu werden, zu vergrößern.
    – Aber er will ja Villettes Bestes, murmelte Martine, das sagst du doch immer. Er tut mir fast ein bißchen leid, es ist klar, daß der Mord viel kaputtmacht.
    – Mag sein, sagte Thomas und sprach plötzlich mit seiner

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