Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
einen Bohrer und ein paar Schrauben, um das Brett über dem kaputten Fenster zu befestigen. Die Arbeit beruhigt mich, zumindest für ein paar Minuten. Als ich die letzte Schraube versenkt habe, fange ich an, meine verschiedenen Möglichkeiten zu prüfen, und komme immer wieder darauf zurück, dass ich Carl Schroder anrufen und bitten sollte zurückzukommen. Damit ich ihm meine Sünden beichten kann.
Stattdessen hocke ich mich an den Tisch und esse noch etwas von der Pizza. Ich sollte mir noch möglichst viel gutes Zeug zu Gemüte führen, denn das kann ich die nächsten zehn Jahre vergessen. Andererseits hat Schroder recht. Ich sollte ins Fitnessstudio gehen. Oder zumindest joggen. Irgendwas. Ich lange nach unten und kneife mich in den Bauch. Vor einem Monat war ich noch schlank. Weiter oben, an Hals und Wangen, sind ebenfalls ein paar zusätzliche Fettpolster, die da nicht hingehören. Ich hoffe, dass Schroder mit seiner Schätzung von drei, vier Kilo nicht zu vorsichtig war.
Während ich die Pizza verdrücke und die Coke leere, kommt Daxter den Flur heruntergetapst; vielleicht hofft er, dass ich ihm etwas von der Pizza aufgehoben habe. Ich gebe ihm, was er immer bekommt, und das scheint ihn zu besänftigen. Dann gehe ich ins Bett und stelle den Wecker. Ich rücke ihn ans andere Ende des Nachttischchens, um zu verhindern, dass ich im Halbschlaf die Hand ausstrecke und auf die Schlummertaste haue.
Schließlich träume ich von Bridget und von Emily, und in meinem Traum sind beide noch am Leben. Während sie mit mir reden – ihre Worte ergeben kaum einen Sinn -, versuche ich sie lebendig zu begraben. Dann taucht Rachel Tyler auf, allerdings in einer jüngeren Ausgabe als eine der Rachels, die auf den Bildern im Flur ihrer Eltern zu sehen waren. Sie beschuldigt mich, ein Mörder zu sein, und in der Welt der Träume, und nicht nur dort, bin ich genau das.
Als der Wecker klingelt, ist es zwei Uhr morgens, und es regnet. Daxter liegt zusammengerollt neben mir, zum ersten Mal seit zwei Jahren. Ich frage mich, ob das was zu bedeuten hat. Im Haus ist es kalt, und mir gehen jede Menge finsterer Gedanken durch den Kopf. Ich ziehe mich an und trete hinaus in die Nacht.
Kapitel 42
Nachdem ich die Schaufel in den Kofferraum von Dads Wagen geworfen habe, bleibe ich kurz vor meinem Haus stehen. Ich spähe die Straße rauf und runter, halte Ausschau nach möglichen Beschattern, dann gebe ich Gas und fahre Richtung Friedhof; um sicherzugehen, dass mir niemand folgt, biege ich wie zufällig immer wieder nach links und rechts ab. Ich muss Alderman wieder ausbuddeln, bevor die anderen nach seiner Frau graben.
Der Friedhof sieht jetzt völlig anders aus, als wäre ich immer noch in meinem Traum. Es ist stockfinster und gießt in Strömen. Hin und wieder bricht ein fahler Streifen Licht durch die Wolken und spiegelt sich in der Windschutzscheibe. Hier draußen ist es vollkommen ruhig und ziemlich kalt.
Ich parke am Straßenrand, zwei Blocks entfernt, und laufe zum Friedhof zurück. Einige kahle Äste, die an die Überreste eines Skeletts erinnern, strecken über meinem Kopf die Arme aus und verschränken die Finger, als ich das Grundstück betrete. Für den Fall, dass Polizei in der Nähe ist, gehe ich etwas langsamer und verstecke mich im Schatten einiger Eichen, die den Weg säumen. Es scheint niemand da zu sein, trotzdem checke ich das Gelände noch eine Weile ab, bevor ich zurückgehe und die Schaufel hole; mir ist klar, dass ich auf die Frage, warum ich eine Schaufel mit mir herumtrage, keine vernünftige Antwort parat habe.
Jetzt, wo ich sicher sein kann, dass ich ungestört bin, mache ich mich auf den Weg zur Kirche. Ich bleibe zwischen den Bäumen, bis ich vor der Kirche einen Streifenwagen mit einem einzelnen Beamten entdecke. Es gehört zu den Standardmaßnahmen, einen Tatort bereits zu einem frühen Zeitpunkt zu sichern. Ich wette, er langweilt sich zu Tode. Ich halte mich weiter in Bodennähe; meine Knie und Finger schmerzen vor Kälte, und ich verbringe volle zehn Minuten damit, die Gegend zu inspizieren. Der Regen prasselt auf meine Jacke, wenn auch nicht ganz so laut wie auf das Auto. Hin und wieder geht im Wagen ein Licht an; vermutlich von einem Handy, das auf- und zugeklappt wird. Wahrscheinlich verschickt der Mann Nachrichten an seine Frau oder an seine Freundin oder an beide und beschwert sich darüber, was für eine Zeitverschwendung das hier ist.
Ich muss zum Wagen zurück, mir die Schaufel schnappen
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