Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
etwas anderem ist sie momentan nicht zu gebrauchen. Nachdem ich die Heizung voll aufgedreht habe, starte ich den Wagen; die Scheinwerfer lasse ich allerdings ausgeschaltet und warte, bis sich alles aufgewärmt hat, bevor ich durch den Nebel fahre. Am Rand des Parkplatzes schalte ich den Motor wieder aus und nehme einen weiteren Schluck aus der Flasche. Das Schicksal meint es gut mit mir – sonst hätte ich im Schlaf den ganzen Bourbon verschüttet.
In der Kirche ist es immer noch dunkel, und von dem Wohnquartier dahinter ist nichts zu sehen. Ich bleibe mit eingeschalteter Heizung im Wagen hocken und nippe erneut an der Flasche, um mir Mut anzutrinken. Dabei weiß ich nur zu gut, dass es mal eine Zeit gab, in der ich keinen Bourbon brauchte, um mich stark zu fühlen.
Leise schließe ich die Wagentür und gehe langsam auf die Kirche zu. Es scheint, als würde mein Oberkörper über den Nebel treiben. Der Halbmond wirft ein paar schwache Schatten, die unmerklich über die bunten Kirchenfenster tanzen, so dass es scheint, als würden die Bilder darin sich bewegen und mich beobachten. Meine tauben Zehen tun weh, und der Nebel befeuchtet meine Beine. Ich habe es fast bis zur Kirche geschafft, als ich über etwas stolpere, was sich wie ein Stein anfühlt. Während ich unsanft auf dem Boden lande, stütze ich mich mit den Händen ab. Die Steine, die sich in meine Haut bohren, erfüllen meine Handflächen mit einem stechenden Schmerz.
Ich rolle mich auf den Rücken und starre nach oben, sehe aber lediglich den Nebel, der meinen Körper bedeckt. Es ist wie im Innern einer Wolke. Ich strecke die Hand aus, als wollte ich ein Loch hineinstoßen, durch das ich einen Blick werfen kann, doch ohne Erfolg.
Während ich dort liege und die Steinchen aus meinen Handflächen klaube, wird plötzlich eine der Kirchentüren zugeschlagen, und ich verharre reglos in meiner Position. Flach auf der Erde drehe ich meinen Kopf in Richtung des Geräuschs. Dann setze ich mich auf, um über die Nebelschicht hinwegzuspähen.
Im Schatten der Kirchenmauer bewegt sich eine Gestalt. Ich rühre mich nicht von der Stelle, denn ich weiß, dass Vater Julian mich auf keinen Fall sehen kann. Die feuchte Erde hat meine glühenden Handflächen abgekühlt, und auf einmal spüre ich, wie in meinem Innern etwas zum Leben erwacht, das die letzten Monate wie betäubt war. Eine Mischung aus Hoffnung und Neugier. Als ich leise aufstehe und ihm folge, scheint der Boden unter meinen Füßen zu schwanken. Julian macht einen großen Bogen um meinen Wagen und findet Schutz im Schatten der Kirche, dann verschwindet er kurz zwischen den Bäumen, die die Straße säumen. Vom Wagen aus hätte ich ihn überhaupt nicht bemerkt.
Auf der anderen Straßenseite, wo sein Wagen steht, steckt Julian den Schlüssel ins Schloss. Ich drehe mich um, renne zu meinem Auto und warte, bis ich höre, wie Julian den Motor anlässt, dann starte ich meinen. Auf der Straße bemerke ich, dass er bereits drei Blocks Vorsprung hat. Auch wenn hier draußen genauso undurchdringlicher Nebel herrscht wie auf dem Friedhof und bei der Kirche, erscheint er im Licht der Straßenlaternen nicht ganz so dicht. Als Julian nach links abbiegt, schalte ich meine Scheinwerfer ein und folge ihm. Bei dem Nebel kann ich seine Rücklichter höchstens auf eine Entfernung von zwei Blocks erkennen.
Hin und wieder kommt uns ein Wagen entgegen. Julian umrundet den Friedhof und biegt dann Richtung Stadt ab. Als er aufs Gas drückt, beschleunige ich ebenfalls, denn sollte sein Vorsprung zu groß werden, verliere ich ihn aus den Augen, sobald ein weiteres Paar Rücklichter vor mir auftaucht. Er rast über eine Kreuzung, und ich folge ihm. Er macht keinerlei Anstalten, mich abzuhängen, was jedoch nicht heißt, dass er mich nicht bemerkt hat. Es ist ziemlich offensichtlich, dass ich nicht mitbekommen soll, wo er hinfährt; sonst hätte er nicht draußen auf der Stra ße geparkt und sich an meinem Wagen vorbeigeschlichen.
Die Ampel vor mir springt auf Gelb. Ich trete aufs Gas und hole ihn etwas schneller ein als beabsichtigt, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass er es nicht …
Nur dass ich es nicht ganz über die Kreuzung schaffe.
Der Wagen taucht wie ein Zug aus dem Nebel neben mir auf. Ich drehe meinen Kopf, und als ich gerammt werde, reiße ich die Hände nach oben, um mein Gesicht zu schützen; das kreischende Geräusch von Metall dröhnt mir in den Ohren. Um den Wagen unter Kontrolle zu kriegen, drehe ich wie
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