Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
Vom Netzwerk:
ihre Achse drehte, begann er folgendermaßen: »Sie haben alles, was Sie sich nur wünschen können, Andrei Iwanowitsch; nur eines fehlt Ihnen.«
    »Was denn?« fragte dieser, indem er eine sich kräuselnde Rauchwolke ausstieß.
    »Eine Lebensgefährtin«, antwortete Tschitschikow. Andrei Iwanowitsch erwiderte darauf keine Silbe, und das Gespräch war damit zu Ende.
    Tschitschikow ließ sich nicht abschrecken, wählte eine andere Zeit, vor dem Abendessen, und nachdem er über dieses und jenes geplaudert hatte, sagte er auf einmal: »Wirklich, Andrei Iwanowitsch, Sie sollten heiraten.«
    Wieder antwortete Tentetnikow nicht darauf, gerade als ob ihm schon die bloße Erwähnung dieses Gegenstandes unangenehm wäre.
    Aber Tschitschikow verlor auch jetzt nicht den Mut. Beim drittenmal wählte er die Zeit nach dem Abendessen und begann: »Aber trotz alledem und alledem, wie ich auch Ihre Lage durchdenken mag, ich sehe ein, daß Sie heiraten müssen; Sie werden sonst hypochondrisch.«
    Ob nun Tschitschikows Worte diesmal eine besondere Überzeugungskraft besaßen oder Tentetnikows Gemütsstimmung an diesem Tage besonders zur Offenherzigkeit neigte, genug, er seufzte und sagte, indem er den Pfeifenrauch nach oben ausstieß: »Zu allen Dingen muß man Glück mit auf die Welt gebracht haben, Pawel Iwanowitsch«, und nun erzählte er alles wahrheitsgemäß, die ganze Geschichte seiner Bekanntschaft mit dem General, und wie es zum Bruche gekommen war.
    Als Tschitschikow den ganzen Hergang mit allen Einzelheiten gehört hatte und sah, daß das bloße Wörtchen »du« so schwerwiegende Folgen gehabt hatte, war er ganz verblüfft. Eine Minute lang blickte er seinem Wirte unverwandt in die Augen und wußte nicht, wie er über ihn urteilen sollte: ob er ein kompletter Narr sei oder nur ein bißchen dümmlich.
    »Aber ich bitte Sie, Andrei Iwanowitsch«, sagte er endlich, indem er ihn an beiden Händen ergriff, »was ist denn das für eine Beleidigung? Was liegt denn in dem Worte ›du‹ Beleidigendes?«
    »In dem Worte selbst liegt nichts Beleidigendes«, entgegnete Tentetnikow, »aber in dem Sinne des Wortes, in dem Tone, mit dem es ausgesprochen wird, liegt eine Beleidigung. ›Du!‹ das bedeutet: ›Vergiß nicht, daß du ein elender Geselle bist; ich empfange dich nur, weil ich keinen Besseren habe; wenn aber so eine Fürstin Jusjakina kommt, dann mußt du wissen, wo dein Platz ist, und dich an die Türschwelle stellen.‹ Das bedeutet dieses Wort!« Als der friedliche, sanfte Andrei Iwanowitsch das sagte, funkelten ihm die Augen, und seinem gereizten Tone war anzuhören, wie sehr er sich gekränkt fühlte.
    »Nun, und wenn es auch in diesem Sinne gesagt war, was ist dabei?« erwiderte Tschitschikow.
    »Wie? Soll ich etwa nach einem solchen Benehmen weiter mit ihm verkehren?«
    »Wie können Sie das ein Benehmen nennen! Ein Benehmen, ein bewußtes Benehmen ist das überhaupt nicht«, antwortete Tschitschikow kaltblütig.
    »Wieso ist das kein bewußtes Benehmen?« fragte Tentetnikow erstaunt.
    »Das ist so eine Gewohnheit, die diese Generäle an sich haben, aber kein bewußtes Benehmen; diese Leute sagen zu jedem Menschen ›du‹. Und dann, warum sollte man das einem wohlverdienten, allgemein geachteten Manne auch nicht gestatten?«
    »Das steht auf einem anderen Blatte«, versetzte Tentetnikow. »Wäre er ein armer, alter Mann, nicht stolz, nicht hochmütig, kein General, dann würde ich ihm gestatten, mich ›du‹ zu nennen, und es sogar respektvoll aufnehmen.«
    »Er ist ganz verdreht«, dachte Tschitschikow bei sich, »einem Lumpenkerl will er es gestatten, aber einem General nicht!« – »Gut!« sagte er laut. »Angenommen auch, daß er Sie beleidigt hat, so haben Sie es doch sofort wettgemacht: die Beleidigung ist eine wechselseitige. Aber sich deswegen zu entzweien und dabei eine persönliche, besondere Angelegenheit aufzugeben, das ist, entschuldigen Sie, doch eine arge Torheit. Wenn man sich einmal ein Ziel gesetzt hat, dann muß man auch mit aller Energie darauf losgehen. Was braucht man darauf zu achten, daß ein Mensch um sich spuckt! Der Mensch spuckt immer um sich: so ist er nun einmal geschaffen. Auf der ganzen Welt werden Sie jetzt keinen Menschen finden, der nicht um sich spuckte.«
    »Ein sonderbarer Mensch, dieser Tschitschikow!« dachte Tentetnikow erstaunt bei sich; er war über diese Worte ganz verdutzt.
    »Was ist dieser Tentetnikow aber für ein wunderlicher Kauz!« dachte gleichzeitig

Weitere Kostenlose Bücher