Die Toten vom Klan
direkt die Tür der Werkstatt anvisierte. Er konnte gar nicht zählen, wie oft er diesen Weg schon gegangen war, doch nie mit einem derartigen Gefühl im Magen und den ebenfalls zitternden Knien.
Er suchte nach Spuren, nach Fußabdrücken, blieb vor der Tür stehen, öffnete noch nicht, denn er rief zuerst den Namen seines Vaters. Arnos Blake gab keine Antwort.
Jerry fing an zu schwitzen. Die Tropfen sammelten sich in seinem Nacken und rollten in kalten Bahnen den Rücken hinab. Auch in den Achselhöhlen breiteten sich dunkle Flecken aus, die sich im Stoff seines Hemdes abzeichneten.
Etwas war faul…
Er wartete. Sekunden verstrichen. Kein Geräusch war aus dem Innern zu hören.
Erst nach einiger Zeit kam ihm der Gedanke, durch das Fenster zu schauen, um zu sehen, was sich im Innern abspielte. Dazu kam er nicht mehr.
Mit vehementer Wucht flog die Tür nach außen. So schnell, daß Jerry nicht mehr ausweichen konnte, und ihm das Türblatt gegen das Gesicht knallte. Er spürte einen wahnsinnigen Schmerz an der Stirn und der Nase, als er nach hinten kippte, rücklings am Boden landete, eine Wolke aus Staub aufwirbelte und erinnerhalb dieser Wolke plötzlich eine Gestalt sah, die sich wie ein Gespenst hervorschälte. Ein Klan-Mann!
Weißes Gewand, weiße Kapuze, mit einer doppelläufigen Schrotflinte in den Händen, deren Mündungen er gegen die Brust des jungen Mannes preßte.
Er starrte ihn von oben her an. Nur die Augen bewegten sich. In ihnen lag eine menschenverachtende Kälte; die Pupillen schienen aus dunklem Eis zu bestehen. »Bewege dich nur, wenn ich es sage! Und keinen Laut, sonst bist du tot!«
Jerry nickte nicht einmal, aber er gab seinem Gefühl recht, das ihn nicht getrogen hatte. In diesen fürchterlichen Augenblicken dachte er nicht an sich, sondern an seine Eltern.
Er hoffte, daß sein Vater noch lebte und…
»Steh auf!«
Die beiden Mündungen verschwanden von seiner Brust, glotzten ihn aber nach wie vor an wie leere Augen.
Der junge Mann stemmte sich in die Höhe. Er versuchte, in sich hineinzulauschen und herauszufinden, was er nun empfand. Angst, Grauen? Nein, das war es nicht. Jerry spürte den ohnmächtigen Zorn, der ihn gepackt hielt, und schrak zusammen, als die beiden Mündungen eine Stelle unter seinem Kinn berührten.
Über die Läufe hinweg schielte er gegen die weiße Kapuze und hinein in die Augenschlitze. Er konnte nicht erkennen, wer sich hinter dem Stoff verbarg. Möglicherweise war es ein Bekannter, aber das spielte jetzt keine Rolle.
»Du wirst dich umdrehen und vorgehen — okay?«
Er nickte. Blut rann aus seiner Nase, fiel in den Staub, wo die Tropfen ein dunkles Muster bildeten.
Die Mündung ließ ihn nie los. Sie schleifte auch über seinen Körper, als er sich drehte, dann drückte sie in seinen Rücken. »Geh nur rein, Nigger, geh rein!«
Jerry wollte ein Tuch aus der Tasche holen, um die Blutung zu stillen, dagegen hatte der Clanman etwas.
»Rühr deine Hand nicht, du Schwein!«
Jerry Blake taumelte voran. Er dachte an die beiden Helfer, die kommen wollten. In sie hatte er sein Vertrauen gesetzt, doch sie waren noch nicht da. Wahrscheinlich würden sie erst erscheinen, wenn alles vorbei und der Widerstand in Blut ertränkt war.
Die Tür war nicht wieder ins Schloß gefallen. Handbreit stand sie offen. Aus dem Spalt wehte ihm der typische Holzgeruch entgegen, den er seit seiner Kindheit her kannte und für ihn ein Synonym dafür war, daß er sich zu Hause befand.
Auch jetzt hatte sich der Geruch nicht verändert, nur glaubte Jerry, noch etwas anderes zu riechen.
Blut… Sein Blut möglicherweise — oder…
Er zog die Tür auf — und hätte geschrien, wäre da nicht der Druck der Waffe gewesen.
Mitten in der Werkstatt, zwischen Hobel-und der kleinen Drehbank lag sein Vater.
Er lag auf dem Rücken. Dennoch hatte die Blutlache genügend Platz, um sich auszubreiten…
***
Wir hatten den Ort bereits verlassen, als Marsha mich bat, nicht mehr zu weit zu fahren, sondern in einem schmalen Feldweg einzubiegen, der an beiden Seiten von staubigen Sträuchern gesäumt wurde. Nach wenigen Yards stoppte ich und drehte mich auf dem Fahrersitz zu dem Mädchen um.
Marshas Gesicht war maskenhaft. Ihr Blick glitt ins Leere. Sie hatte sich rasch umgezogen, trug ein schwarzes T-Shirt, das an der linken Schulter mit Straß-Flimmer behängt war. Die helle Hose bestand aus dünnem Leinen und endete über den Knöcheln.
»Sie wissen also über uns Bescheid?« stellte ich
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