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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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dazu verlocken könnte, mich einem solchen Risiko auszusetzen.«
    »Es geht nicht um Sex«, sagte Falcón. »Es geht um Gewalt. Gewalt, die dir zugefügt wurde, und Gewalt, die du anderen zufügen willst. Sex ist von dem, was auf diesem Band geschieht, meilenweit entfernt.«
    »Wie auch immer«, sagte Ramírez und schenkte Bier nach. »Wir haben es getan. Wir haben eine Kopie der Kassette gemacht. Und was jetzt? Wir sind am Arsch, oder? Das alles führt nirgendwohin. Sobald bekannt wird, dass Montes die Brandstifter bezahlt hat, sind wir in toten Gewässern und müssen die Klappe halten.«
    »Elvira hat mir einen Vortrag gehalten, dass ich in diesem Fall nicht allzu eifrig bei der Ausübung von Gerechtigkeit sein soll«, erzählte Falcón. »Mächtige Leute seien involviert, die an der Macht bleiben wollten und dafür sorgen würden, dass ich nie bekäme, was ich wollte. Aber wenn man so etwas sieht wie diese Finca in der Sierra und zu ahnen beginnt, welches Ausmaß an Korruption möglich ist, fängt man an, sich zu fragen, ob wir nicht die ganze Bagage rausschmeißen und neu anfangen sollten. Mir ist klar geworden, dass ich sehr naiv bin, wenn es in solch erhabene Höhen geht.«
    »Nun, wenn du wirklich jeden Übeltäter drankriegen willst, dann kannst du gleich hier anfangen«, sagte Ramírez und tippte sich auf die Brust. »Meine Vergangenheit ist auch nicht besonders nett. Ich glaube, der Priester, bei dem ich gebeichtet habe, ist um ein Jahrzehnt gealtert.«
    »Wovon reden wir, José Luis? Ein paar Gefälligkeiten von Nutten?«
    »So eine Kreuzzugskiste ist nie gut«, meinte er achselzuckend. »Da kommt doch niemand davon.«
    »Aber du bist nicht wie sie.«
    »Und weißt du, warum diese Leute so was tun?«, fragte Ramírez, dem das Bier auf nüchternen Magen zu Kopf stieg. »Dieser cabrón aus dem Barrio – er ist erfolgreich, wohlhabend, hat ein paar Häuser hier, ein paar an der Küste, eine Jacht, ein Rennboot, mehr Autos als Hosen, und er will immer noch mehr. Aber man kann noch so viel Hummer fressen, Champagner saufen und hübsche Mädchen vögeln… irgendwann wird es langweilig. Und was kommt dann?«
    »Der Kitzel der verbotenen Frucht«, sagte Falcón, »Vielleicht habe ich mich vorhin geirrt. Vielleicht geht es doch nicht um reine Gewalt. Vielleicht geht es um Macht. Die Macht, Dinge ungestraft tun zu können.«
    »Ich sollte jetzt besser los. Ich sehe schon, worauf der Abend hinausläuft«, sagte Ramírez. »Aber ich sage dir, sobald sie den Montes-Scheiß in die Hände kriegen, werden sie dafür sorgen, dass wir in Angst leben.«
    »Hast du die Ausdrucke von den Bildern gesehen, die Cristina von Marty Krugman gefunden hat?«
    »Ich kenne den Typ nicht, mit dem er geredet hat.«
    »Er heißt Mark Flowers«, sagte Falcón. »Zuständig für Öffentlichkeitsarbeit am amerikanischen Konsulat.«
    »Ha! Also doch nicht so verrückt, unser Marty.«
    »Es gibt wahrscheinlich eine ganz plausible Erklärung.«
    »Sie waren ein Paar«, sagte Ramírez. »Gute Nacht.«
    Weil er verzweifelt eine positive Nachricht hören wollte, rief Falcón Alicia Aguado an und war froh, sie nach ihrer Sitzung mit Sebastián Ortega in Hochstimmung anzutreffen. Der erste große Schritt war gemacht. Er hatte das ganze Ausmaß des sexuellen Missbrauchs offenbart, den er durch Ignacio Ortega erlitten hatte. Trotz der grausamen Tortur, die das für den Jungen gewesen war, hatte der Durchbruch sie froh gemacht – der Heilungsprozess hatte begonnen. Falcón sehnte sich nach ähnlicher beruflicher Befriedigung. An Abenden wie diesem, wo alles in der Schwebe hing, sah er in seiner Arbeit den verzweifelten Versuch, einen kürbisgroßen stinkenden Abszess am Körper der Gesellschaft mit einem kleinen Pflaster aus der Welt zu schaffen. Er wünschte Alicia alles Gute und legte auf.
    Das Video versteckte er in Franciscos altem Atelier. In seinem Arbeitszimmer vergewisserte er sich, dass er den Hausschlüssel der Krugmans, den Laptop, den Ausdruck des Bildes von Marty und Mark Flowers und seinen geladenen Revolver eingesteckt hatte. Dann fuhr er nach Santa Clara und parkte den Wagen in Consuelos Einfahrt. Er erklärte ihr, was er vorhatte, und sie bestand darauf, dass er etwas aß. Sie war nicht sie selbst. Sie wirkte leblos, still, abgelenkt, ja beinahe deprimiert. Sie gab vor, ihre Kinder zu vermissen und sich trotz des Polizeischutzes Sorgen um sie zu machen, aber da schien noch etwas anderes zu sein. Um halb elf ging Falcón zum Haus der

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