Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
verschwunden war. Am Montagmorgen erhielt ich ein Päckchen aus Marbella, das eine Hundepfote und diesen Umschlag enthielt.«
Falcón zog den Inhalt heraus: ein Foto der Familie Vázquez, glücklich lächelnd am Strand. Auf der Rückseite stand: »Sie sind als Nächstes dran.«
»Nun, was halten Sie von dieser psychologischen Taktik, Inspector Jefe? Ich fand sie recht effektiv.«
Falcón fuhr zur Jefatura. Ihm war schon aufgefallen, dass es seit Sonntag keine neue Drohungen mehr von den Russen gegeben hatte, und jetzt wusste er auch, warum. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Sie hatten sich aus Vegas Projekten zurückgezogen, und seine Ermittlung war offiziell beendet. Und dabei war ihr schlimmstes Verbrechen die Tötung eines Haustiers gewesen.
Ramírez und Ferrera saßen schweigend in ihrem Büro.
»Was ist los?«, fragte Falcón. »Solltet ihr nicht bei Felipe und Jorge im Labor sein?«
»Man hat sie angewiesen, hinter verschlossenen Türen zu arbeiten und ihre Ergebnisse nur mit Comisario Elvira zu besprechen«, sagte Ramírez.
»Was ist mit der Rasierklinge, die ich ins Labor geschickt habe?«
»Sie dürfen mit uns über gar nichts sprechen.«
»Und die Brandstifter?«
»Sind immer noch hier«, sagte Ramírez. »Wie lange noch, wissen wir nicht. Als du weg warst, habe ich Elvira angerufen und gefragt, ob wir eine schriftliche Aussage aufnehmen sollten. Er hat gesagt, ich solle gar nichts machen. Und darin bin ich Experte. Also sitzen wir hier und machen gar nichts.«
»Irgendwelche Anrufe?«
»Lobo will dich sehen, und Alicia Aguado fragt, ob du sie heute Abend ins Gefängnis bringen kannst.«
»Es ist noch nicht vorbei, José Luis«, sagte Falcón.
Er nahm den Fahrstuhl in den obersten Stock, wo Lobo sein Büro hatte. Unterwegs rief er Alicia Aguado an und versprach, sie abzuholen. Lobo, der sich mittlerweile wieder beruhigt hatte, ließ ihn nicht warten. Sie setzten sich und sahen sich an, als ob zwischen ihnen ein katastrophaler Schlachtplan ausgebreitet läge, der bereits Tausende von Opfern gefordert hatte.
»Sie und Ihre Leute haben ausgezeichnete Ermittlungsarbeit geleistet«, sagte Lobo, und Falcón nahm die Schmeichelei als ein schlechtes Omen.
»Finden Sie?«, fragte er. »Für mich ist es ein bemerkenswerter Katalog des Scheiterns. Ich habe keinen Mörder für Vega, und die Landschaft ist mit Leichen übersät.«
»Sie haben ein größeres Pädophilen-Netzwerk gesprengt.«
»Gesprengt trifft es nicht ganz. Ignacio Ortega war mir die ganze Zeit einen Schritt voraus, was durch die Tatsache bewiesen wird, dass ich bis auf die Installation der Klimaanlage in Montes’ Finca nichts gegen ihn in der Hand habe, und der verstorbene Alberto Montes hat mich mit jeder seiner Aktionen hinters Licht geführt«, sagte Falcón. »Und jetzt lacht Ortega mich aus, und die Russen laufen noch da draußen herum, frei wie die Vögel, und betreiben weiter Handel mit Erwachsenen und Kindern, die sie sexuell ausbeuten.«
»Ignacio Ortega ist erledigt. Er ist ein gezeichneter Mann. Niemand wird sich mehr in seiner Umgebung blicken lassen.«
»Bravo«, sagte Falcón. »Er lebt nach wie vor in einem schicken Haus und leitet eine erfolgreiche Firma. Er wird sich für ein paar Jahre bedeckt halten, und dann wird er wegen der Natur seiner speziellen Obsession garantiert wieder mit dabei sein. Diese Sorte Mensch muss immer wieder aufs Neue die Unschuld entweihen, ein Drang, nicht weniger mächtig als der Zwang eines Serienmörders, sein Opfer in seinen Händen um sein Leben kämpfen zu spüren. Und ich muss Ihnen auch nicht erklären, dass Ignacio Ortega nur ein kleiner Helfershelfer war, den wir vorübergehend kaltstellen konnten, Comisario. Das große Ungeheuer, die russische Mafia, ist immer noch da und streckt ihre Tentakel über ganz Europa aus. Ungeachtet dessen, wie Sie das nach außen hin und vor sich selbst verkaufen, ist dies einer unserer größten Fehlschläge. Und verantwortlich dafür ist genau jene Administration, die uns eigentlich unterstützen sollte.«
»Ich kann Ihnen ruhig erzählen, dass Montes’ Frau dabei erwischt wurde, wie sie in einem Lagerhaus eine Kiste abholen wollte, die 180000 Euro enthielt«, sagte Lobo. »Die bisherigen Befragungen haben jedoch ergeben, dass er allein gehandelt hat.«
»Noch mehr Applaus«, sagte Falcón. »Was werden wir der verstörten Bevölkerung von Almonaster la Real über die beiden Leichen erzählen, den Jungen und das Mädchen, die man unweit der Finca
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